Witten. . Der Zurich-Versicherungskonzern verkauft Immobilie in der Wittener Innenstadt. Die letzten Mieter gehen nun: ein Schlüsseldienst ist schon weg, das Gebrauchtwarenhaus Novum zieht zum 1. Mai aus. Ein neuer citynaher Standort wird gesucht .
Das Gebäude mit der rosafarbenen Gründerzeitfassade am unteren Ende der Bahnhofstraße gilt schon länger als Sorgenkind. Der Eigentümer der Immobilie, der Versicherungskonzern Zurich, ist gerade dabei, den einstigen Supermarkt zu verkaufen. In diesem Zuge verlassen auch die letzten noch verbliebenen Mieter das Gebäude – der Schlüsseldienst Tietz ging zum 1. Januar, das Gebrauchtwarenhaus Novum gibt den Standort zum 1. Mai auf.
„Wenn man ehrlich ist, war es zuletzt keine schöne Anmutung mehr“, sagt Axel Kuhlmann, Prokurist bei der Wabe, die einen Teil des Novum-Kaufhauses trägt. Was er meint, ist die zunehmende Isolation des Geschäfts: Der Bäcker ging, die kleineren Shops ebenso. Viel Laufkundschaft gab es nur in der kurzen Zeit, als dorthin die Post für den Bau der Stadtgalerie auswich. Wie es mit der Immobilie und dem Novum-Laden weitergeht, ist noch offen.
„Da wir uns derzeit in Verhandlungen mit einem potenziellen Käufer der Immobilie befinden, haben Sie bitte Verständnis, dass wir uns zu weiteren Details nicht äußern können“, gibt sich Sandra Eimanns, Sprecherin der Zurich Group zugeknöpft.
Immerhin seien die Gespräche so weit, dass nach einer Renovierung des Gebäudes die Eigentümerin des Novums eine Mietsteigerung nicht tragen möchte. Das Geschäft gehört der Gekom (Gesellschaft für Gebrauchtprodukt- und Kommissionswarenhandel), ein Zusammenschluss von Wabe und dem Entsorger AHE. „Die Konditionen waren für uns indiskutabel“, so Kuhlmann. Dass das Novum irgendwann ausziehen werde, sei allen Beteiligten klar gewesen. „Neue Standorte werden gerade intensiv geprüft und bald bekannt gegeben“, sagt Novum-Geschäftsführerin Melanie Möller. „Für Hinweise, die gute und günstige Verkaufsräume betrifft, wären wir dankbar.“
Was sich allerdings abzeichnet: Auf einer solchen Fläche wie an der Bahnhofstraße muss man sich nicht erneut ausbreiten. „Nur ein Drittel der Ware kommt aus der Möbelbörse“, berichtet Kuhlmann. Auch Neuware tummelt sich zwischen Eichen-Sitzgarnituren und gebrauchten Waschmaschinen, etwa neue Einbauküchen aber auch rosa Winterjacken oder bunte Kinderhütchen dienen zur Belebung der großen Verkaufsfläche. Kuhlmann: „Wir sollten uns wieder mehr auf unsere Kernidee konzentrieren.“ Ähnliches sagt Melanie Möller: „Diese Produktpalette müssten wir so nicht weiter ausstellen.“ Etliches verkaufe das Novum auch über seine Internetseite (novumwitten.de) und einen Ebay-Shop.
Wer sind denn die Kunden des Novum? „Eine illustre Gesellschaft“, fasst es eine Verkäuferin zusammen. „Wir haben alteingesessene Herrschaften, die jeden Tag zum Plausch hierher kommen. Damen, die das Porzellan durchgucken, arme Studenten und reiche Professoren.“ Gut betuchte Polen interessierten sich für Möbel der Anmutung „Gelsenkirchener Barock“, die Sachen gelten als solide. Und Muslime schwärmen für Kristall und schöne Spiegel. „Wie sind ein toller Laden für Kunst und Krempel. Hier ist wirklich viel los.“
Wechselvolle Geschichte
Hinter der rosa Fassade des Gebäudekomplexes an der Bahnhofstraße 69-71 herrschte zuletzt Abwechslung: Im Jahr 2000 zog der Supermarkt Kaufpark aus dem Erdgeschoss aus. Einige Jahre später eröffnete wenige Meter weiter an der Breite Straße mit Kaufland ein Konkurrent mit ähnlichem Konzept: Großer Supermarkt mit angegliederten kleinen Läden.
2005 zog das Second-Hand-Möbelhaus Novum in das Gebäude ein, sowie kleinere Second-Hand-Shops, wie „Bass-Art“ für Kunst oder „Bass-Line“ für Mode. Betreiber war anfangs das Arbeitslosenzentrum Walze und ist inzwischen die Gekom. Zehn Prozent der Anteile an dem Unternehmen hält die Wittener Gesellschaft für Arbeit und Beschäftigungsförderung, kurz Wabe, 90 Prozent liegen beim Wetteraner Entsorgungsbetrieb AHE – deswegen gibt es hier auch die Gelben Säcke. Die Nachfrage nach der Müllverpackung beschert dem Novum übrigens inzwischen mehr Besucher als Möbelkunden.
Die frische Idee mit alten Möbeln wurde 2005 eifrig begrüßt. Zudem belebten Figuren von Christel Lechner, wechselnde Bilderausstellungen und ein Backhaus-Café die Passage. 2012 machten der Bäcker zu und sich Trostlosigkeit breit. Ein städtisches Gutachten empfahl im Sommer 2013 sogar, ein Casino in dem Gebäude unterzubringen, um die weitere Ausbreitung der Zockerbuden in den Innenstadt hinter die hübschen Mauern beschränken zu können.
Für die City ist das Gebäude dennoch wichtig: Das Parkhaus bietet über 400 Stellplätze, die gern genutzt werden – denn die erste Stunde parkt man hier kostenfrei.