Witten. . Er war Fraktionschef der CDU, die er Ende der Neunziger verließ. Mit damaligen Weggefährten gründete er die Wittener Bürger Gemeinschaft (WBG), die auf Anhieb über sieben Prozent der Stimmen holte. „Heute besteht die Fraktion nur noch aus mir“, sagt Siegried Nimsch. Doch auch er geht von Bord.

Falls der Rat am Montag die Sanierung des Rathauses beschließt, wird es für Siegfried Nimsch eine der letzten großen Entscheidungen seiner politischen Laufbahn sein. „30 Jahre hab ich. Das reicht“, sagt der Vorsitzende der Wittener Bürger Gemeinschaft (WBG), der bei der Kommunalwahl am 25. Mai nicht mehr antritt.

Es ist ein schöner Morgen in der Siedlung in der Finkenstraße, nahe dem Sonnenschein, ein aufgeräumter 74-Jähriger öffnet die Wohnungstür. Kein Einfamilienhaus, kein eigener großer Garten, aber alles da und viel Natur drumherum. Der Mann hat was zu erzählen. 30 Jahre im Rat, da kommt was zusammen. Aber es ist ja nicht nur der Politiker, der viel erlebt hat.

Als Leiter einer Hundertschaft bei großen Demos

41 Jahre war er Polizist, zuletzt Leiter der Wache in Langendreer, davor fast zwei Jahrzehnte Kopf einer Hundertschaft. Die großen Anti-Atomkraft-Demonstrationen in den Achtzigern, Siegfried Nimsch war dabei. Einer, der für die harte Linie stand, kein Freund von Deeskalation, aber auch keiner, der schnell zum Schlagstock griff. „Mit mir konnte man reden, bis zu einem gewissen Punkt.“

Im Beruf Selbstbewusstsein für die Politik gewonnen

Selbstbewusstsein habe er als Polizist gewonnen, was ihm in seiner Ratstätigkeit zugute gekommen sei. Nicht jeder traue sich, sich vorne hinzustellen und zu reden. Nimsch war erst in der CDU, bevor der umstrittene Michael Hasenkamp die Union aufmischte. Dem Fraktionschef Nimsch wurde das Misstrauen ausgesprochen. Damals ging es um einen Antrag, Stadtdirektor Gerd Buhren abzuwählen, worin Nimsch keinen Sinn sah, da nicht mehrheitsfähig.

Später trat er aus der Fraktion aus, mit ihm mehrere Parteifreunde. Das war die Geburtsstunde der „Bürger für Witten“, die bei der Kommunalwahl 1999 erstmals als „Wittener Bürger Gemeinschaft“ (WBG) antraten - und gleich 7,3 Prozent holten. „Wir wollten eine Politik machen, die bürgernah ist.“ Die Fraktion griff aktuelle Themen aus den Stadtteilen auf, Bebauung am Erlenbruch, Klärschlamm am Kleff, Politiker als Kümmerer.

Polemik liegt ihm nicht

Man nimmt Nimsch die Rolle ab. Von sich selbst sagt er, ein sachlicher Typ zu sein. Polemik, nichts für ihn. Dennoch scheiterten viele Anträge. Schon zu CDU-Zeiten hatte Nimsch es schwer, etwas gegen die damals noch absolute Mehrheit der SPD durchzusetzen. Mit um so größerer Genugtuung erfüllt es ihn, dass er einige seiner früheren Anliegen - etwa die Einrichtung einer Bürgerberatung oder die Zusammenlegung von Stadtmarketing und Wirtschaftsförderung - heute längst umgesetzt sieht oder zumindest als Thema auf der politischen Agenda.

Dass die „konservativ, liberale“ WBG 2009 eine „Kooperation der Vernunft mit SPD und Grünen einging, überraschte so manchen. Nimsch und seine Gefährten sahen die Chance, endlich mal mehrheitsfähige „Realpolitik“ zu betreiben. Die WBG war das Zünglein an der Waage im Rat, weshalb sie für die anderen Parteien interessant wurde. Eine Erhöhung der Grundsteuer B habe man so zweimal verhindern können, sagt Nimsch heute.

Herzinfarkt im letzten Herbst

Allerdings wurde die WBG bei der letzten Kommunalwahl ganz schön abgestraft. Das Bürgerforum mit den Ärzten nahm nicht nur den gefeuerten WBG-Geschäftsführer auf, sondern machte der Wählergemeinschaft auch viele Wähler abspenstig. Die WBG schrumpfte auf zwei Mann, Nimsch und seinen Vorgänger als Vorsitzender, den erkrankten Thomas Karpowicz.

Auch Siegfried Nimsch, der noch dreimal in der Woche ins Sportstudio geht, hat es im letzten Herbst erwischt. Herzinfarkt! Für ihn ein weiterer Grund, politisch kürzer zu treten. Was er vermissen wird? Vielleicht das, was es zuletzt schon nicht mehr gab: mit anderen Kommunalpolitikern ein Bier im Ratskeller trinken gehen, etwa nach der letzten Ratssitzung vor Weihnachten. Siegfried Nimsch: „Da wurde manchmal bessere Politik gemacht als oben.“