Witten. . WAZ-Gesundheitsforum im Evangelischen Krankenhaus Witten dreht sich um Folgeschäden von Diabetes: Wenn sie spät erkannt werden, sind Amputationen von Zehen, Füßen oder in schlimmeren Fällen auch von Unter- oder Oberschenkeln oft unvermeidlich.
„Achte auf deine Füße!“ – wie ein großes Ausrufezeichen stand diese eindringliche Warnung von Dr. Dirk Martin über dem WAZ-Medizinforum im Evangelischen Krankenhaus. Diabetes ist eine Volkskrankheit, und am Ende eines langen Leidenswegs steht oft eine Amputation von Zehen, eines Fußes, von Unter- oder Oberschenkel. Deshalb „erlaube ich mir ausnahmsweise, Sie einfach zu duzen“, wurde der Chef der Allgemein- und Viszeralchirurgie des EvK zu den mehr als 120 Zuhörern persönlich.
Ihnen wurde einiges abverlangt. Wiederholt ging ein Raunen durch den Saal, als Bilder von Füßen mit schlimmen Wunden gezeigt wurden. Eine medizinische Skala nach Wagner kennt fünf Stufen. „Vier und fünf zeigen wir hier gar nicht“, hieß es vom Podium. Bei fünf ist der der ganze Fuß schwarz.
In Witten leiden nach einer neuen Erhebung 7,7 Prozent der Bürger an Diabetes mellitus, das entspricht mehr als 7000 Patienten. Der „diabetische Fuß“ ist für die Hälfte aller Krankenhaustage bei Diabetikern verantwortlich. In Deutschland kommt es jedes Jahr zu 40 000 Amputationen. Und die Aussichten sind bedrückend: Die Amputationen geht mit einer Ein-Jahres-Sterblichkeit (je nach Studie) von 13 bis 40 Prozent und einer Fünf-Jahres-Sterblichkeit von 39 bis 80 Prozent einher.
Nach OP Problem auf anderer Seite
„Ich habe Angst“, bekannte eine Frau aus dem Publikum ganz offen. Schon einmal habe sie mit drei blauen Zehen lange in der Klinik gelegen. Jetzt sei der zweite Fuß betroffen. „Eine Kuppe haben sie mir schon abgenommen, aber es heilt so schlecht zu.“ Ein leider typischer Verlauf. Das Risiko, nach einer Amputation auf der einen Seite auch die Gegenseite zu verlieren, ist in den ersten vier Jahren danach um 50 Prozent erhöht.
„Wäre es dann nicht besser, statt nur ein paar Zehen abzuscheiden, gleich den ganzen Unterschenkel abzunehmen“, fragte eine andere Zuhörerin besorgt. „Das bedeutet dann: Rollstuhl“, zeigte Dr. Martin die Folge auf, riet aber zur „maßgeschneiderten Therapie“. Rechtzeitig erkannt könne auch ein orthopädischer Schuh genügen, um den geschädigten Fuß zu entlasten.
Auftreten darf man damit im Akutstadium keinesfalls. „Schon einmal barfuß zum Klo gehen kann die Heilung um Wochen zurückwerfen“, warnte Oberarzt Torsten Hüber, der am EvK Amputationen vornimmt. „So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig, muss man amputieren“, erklärte er. „Es geht nicht anders, wir brauchen einen vernünftigen Wundgrund für die Heilung.“ Auch hinter vermeintlich ganz gewöhnlichen Schwielen, könne sich infiziertes Gewebe verstecken, warnte er.
Zudem, so der Allgemeinmediziner Dr. Arne Meinshausen, dürfe man nicht Raucherbein und „diabetisches Bein“ verwechseln. Beim Raucherbein beginne die Störung meist weiter oben, oft schon in der Leistengegend, deshalb sei das ganze Bein gefährdet. Bei Diabetes arbeite sich die Schädigung „sockenförmig in kleinen Schritten von unten nach oben“. Da könne es schon Sinn machen, eine einzelne Zehe zu amputieren, „wenn das der Störenfried ist“ und damit die Entzündungsquelle beseitigt sei.