Diesen Apothekenbesuch wird das Ehepaar Inge und Walter Klingenhagen nicht vergessen. Aufs Tablettenholen folgten Stürze, Verletzungen, ein Krankenhaus-Aufenthalt – und wie es aussieht, wird die Angelegenheit auch nicht schnell zu lösen sein. Denn: Zwei unterschiedliche Darstellungen des abendlichen Geschehens stehen einander gegenüber.
Alles begann am letzten Mittwoch mit einem schweren Hustenanfall von Inge Klingenhagen. Die 72-Jährige ist Asthmatikerin. Ihre Beschwerden verstärkten sich am Abend so sehr, dass sie unter arger Luftnot litt. Sie besorgte sich ein Rezept beim Notarzt im Marien-Hospital. Der empfahl ihr, es sofort einzulösen. Zusammen mit ihrem Mann Walter (76) am Steuer fuhr sie zur diensthabenden Apotheke an der Beethovenstraße.
Ringsherum war es dunkel
Längst war es dunkel, als sie nach 20 Uhr den kleinen Absatz vor der Notdienstklappe betrat. Es folgte die Übergabe des Rezepts und der Tabletten, und eine kleine Meinungsverschiedenheit wegen der Notfall-Gebühr, so Klingenhagen. „Dann war es wie im Film. Ich stürzte rückwärts, erlitt Prellungen an der Wirbelsäule und am Kniegelenk. Zudem habe ich Schmerzen im Nacken.“ Beim Erzählen stockt die Seniorin immer wieder, weint, denn es sollte noch schlimmer kommen. „Mein Mann wollte mir beim Aufstehen helfen, dabei fiel er ebenfalls auf den Rücken, blieb zunächst liegen.“
Niemand sei weit und breit dagewesen, um zu helfen, „nur die Apothekerin hinter der Klappe. Doch die hat gesagt, dass sie die Apotheke aus Sicherheits- und rechtlichen Gründen nicht verlassen dürfe“. Zudem habe sie auch telefonisch keine Hilfe angefordert. Inge Klingenhagen: „Es hat furchtbar lange gedauert, bis wir endlich aufstehen konnten. Die Kälte am Boden war schlimm.“
Mühsam hätten sie beide den Weg zum Auto geschafft, um dann am anderen Tag ins Evangelische Krankenhaus zu fahren. Hier wurden bei ihr Prellungen festgestellt. Ihr Mann, der erst vor kurzem einen Stent, eine Gefäßstütze, erhielt und der wegen Prostatakrebs in Strahlenbehandlung ist, wurde stationär wegen Wirbelbrüchen, so Klingenhagen, in der Unfallchirurgie aufgenommen. „Er ist jetzt nur noch ein Häufchen Elend.“
Die heftigen Vorwürfe will Beethoven-Apotheker Dr. Ralf Rausch so auf keinen Fall stehen lassen. „Das ist nicht wahr.“ Vielmehr habe die erfahrene diensthabende Notdienstapothekerin Dr. Esther Fuchs mehrfach angeboten, Hilfe zu besorgen, einen Krankenwagen zu rufen. Doch diese Hilfe sei nicht gewünscht gewesen. Alles das stehe auch im Protokoll, das von Frau Fuchs angefertigt wurde, so Rausch, der die 72-jährige Kundin gebeten hat, den Vorfall zu dokumentieren und entsprechende ärztliche Atteste beizufügen. „Die Unterlagen benötigen wir, um sie bei unserer Versicherung einzureichen.“ Ob das alles klappt, scheint fraglich. Denn Inge Klingenhagen hat die Nase voll. „In die Apotheke will ich nicht mehr gehen.“