Witten. . Erika Müller war im Januar an einer Haltestelle in Witten bei Eisglätte gestürzt und hatte sich die Hand gebrochen. Als die Stadt sich weigerte, Schmerzensgeld zu zahlen, stellte ihre Tochter Michaela Strafanzeige wegen Körperverletzung. Mit erstem Erfolg: Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen die Stadt Witten erhoben.

Im Fall Erika Müller, die Ende Januar an der Bushaltestelle Königsholz in Witten bei Eisglätte gestürzt war, tut sich was: Die Staatsanwaltschaft hat jetzt Anklage gegen zwei Mitarbeiter der Handkolonne erhoben. Vorwurf: fahrlässige Körperverletzung. Die städtischen Mitarbeiter hätten den Schneematsch nicht ausreichend geräumt.

Beim Aussteigen aus dem Bus war Erika Müller damals im Matsch, der einen halben Meter breit auf der Straße gelegen haben soll, ausgerutscht und böse gestürzt: Das rechte Handgelenk war gebrochen, die heute 76-Jährige hatte zudem Prellungen an beiden Knien und der Wirbelsäule.

Ihre Tochter Michaela wandte sich an die Stadt Witten und stellte eine Schmerzensgeldforderung über 9100 Euro. Doch im Rathaus nahm man sich davon nichts an: Aus den Einsatzprotokollen gehe hervor, das die Handstreukolonne die Haltestelle zwischen neun und halb zehn Uhr morgens freigeräumt habe. Damit habe die Stadt ihrer Pflicht Genüge getan – Ansprüche könne Erika Müller daher nicht geltend machen.

Protokoll stimme nicht

Tochter Michaela wurde sauer: „Das kann ja wohl nicht sein“, schimpft die 51-Jährige. Sie habe Fotos, die belegen, dass eben nicht geräumt gewesen sei. Der Busfahrer, der nicht einmal an den Bordstein habe fahren können, sei zudem ihr Zeuge. Was da im Kontrollbuch stehe, entspreche einfach nicht der Realität: „Aber so ein Kreuzchen da ist schnell gemacht.“

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Auch wenn ihr alle abrieten, den Kampf aufzunehmen: Michaela Müller stellte Strafanzeige bei der Polizei gegen die Stadt, die Staatsanwaltschaft ermittelte, nun wurde Klage erhoben. „Ich wollte einfach zeigen, dass man als Bürger nicht alles hinnehmen muss“, sagt die Wittenerin kämpferisch, die damit Mut machen will: Man dürfe sich nicht alles gefallen lassen. „Die Stadt ist hier in der Verantwortung – und fertig. So einfach ist das.“ Wenn bei ihr vor der Haustür jemand auf Eis falle, müsse sie ja auch zahlen.

Gericht muss entscheiden

Deshalb will Tochter Michaela die Schadensersatz-Forderung für ihre Mutter erneut einreichen, falls das Strafverfahren in ihrem Sinne entschieden wird. Auch die Stadt Witten will erst einmal abwarten, was die Richter sagen. „Das Gericht muss entscheiden, ob an diesem Tag wirklich eine Pflichtverletzung vorgelegen hat“, sagt Stadtsprecher Helmut Sonder. Sollte das so sein, dann werde der Schaden selbstverständlich bezahlt.

Dass die Stadt verklagt wird, ist übrigens selten. Dass es so weit geht und dann auch Anklage von der Staatsanwaltschaft erhoben wird, sei die „absolute Ausnahme“, weiß Heike Rambow vom Rechtsamt. Den beiden Mitarbeitern vom Tiefbaumamt, denen die Klage ins Haus flatterte, stehe die Stadt nun unterstützend zur Seite.