Witten. . In einem Erweiterungsbau hat die Lebenshilfe an der Dortmunder Straße in Witten eine Werkstatt für ältere Behinderte eingerichtet. Menschen mit Handicap altern oft schneller, sind jedoch noch nicht alt genug fürs Rentnerdasein.

Mit älteren Behinderten hat Deutschland wenig Erfahrung - eine Folge unserer unrühmlichen Geschichte. Einige wenige behinderte Rentner, die nach Kriegsende geboren wurden, leben in Witten. Weit zahlreicher ist die Generation der Babyboomer. Diesen „älteren Menschen“ mit Handicap hat die Lebenshilfe nun ein Haus gebaut.

Uwe und Horst gehören dazu. In der Werkstatt der Lebenshilfe sind die beiden nicht mehr einsetzbar - zu laut, zu unruhig, zu belastend ist das Dasein dort. In einem neuen Anbau führen sie nun einfache, mechanische Arbeiten aus: Sie stecken Stecker zusammen oder sortieren Pflaster. Wem das zuviel wird, der legt sich nebenan in einen Ruheraum. In dem gelb gestrichenen, hellen Gebäude muss man nicht das ganze Pensum schaffen, kann mehr pausieren oder an Kreativangeboten teilnehmen. „Ziel ist der Erhalt der Fähigkeiten und Fertigkeiten“, so Dr. Dieter König, Geschäftsführer der Lebenshilfe.

„Letztlich altern behinderte Menschen schneller.“ So erkranken Menschen mit Down Syndrom schneller an Demenz - wobei König betont: Das kann sein, muss aber nicht. Aber die jüngsten, die ihren Arbeitsplatz im neuen „Lebenshilfe-Center“ haben, sind 40 Jahre alt.

Erst 2007 baute die Organisation neu. Im Empfangsgebäude zentralisierte man alle Organisationen der Lebenshilfe: die Verwaltung, die vorab im Souterrain der Kita Helenenberg untergebracht war und dort Platz machte für eine U3-Gruppe, und der stets wachsende „familienunterstützende Dienst“.

Das Unter- und Erdgeschoss nutzen tagsüber die älteren Beschäftigten, abends gibt es dort Bewegungsangebote - und manchmal auch Disco. „Wenn wir feiern, dann richtig wild“, sagt Sprecherin Cordula Rode. Höhepunkt der gestrigen Einweihungsfeier sind denn auch die Wortbeiträge von Horst oder Uwe, die die Reden unterbrachen.

„Wie können wir es weiter ermöglichen, dass die Menschen ihren Platz in unserer Gesellschaft finden?“ fragt Landrat Arnim Brux. Dazu findet Dieter König kritische Worte: Bei allem Bemühen um Inklusion ginge es den meisten nur darum, behinderte Menschen fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Dabei verkenne man die Realität: „Nur ein Prozent der Menschen in unserer Werkstatt haben überhaupt das Potenzial, im ersten Arbeitsmarkt unterzukommen. Und diese Chance gibt es genauso oft wie einen höheren Lottogewinn.“

Oft werde falsch eingeschätzt, „was für Menschen mit Behinderung gut ist. Den Weg von der Förderschule in die Behindertenwerkstatt gibt es nicht mehr. Dazwischen liegen etliche Förderprogramme und viel Frust.“ Letztlich müsse sich die Arbeit an den Rhythmus der Menschen anpassen – „da können auch andere von uns zu lernen.“