Witten. . Birte Eilers, die eine Tagespflegeeinrichtung betreibt, fürchtet, dass Betreuung dann nicht mehr bezahlbar ist.Sie müsste Stellen reduzieren. Dabei würde sie gerne mehr zahlen. Ihr Plädoyer daher: Die Pflegekassen müssen gezwungen werden, Mehrkosten auszugleichen

Gefährdet der Mindestlohn die Qualität der Pflege? Birte Eilers ist davon überzeugt. Denn wenn 8,50 Euro pro Stunde festgesetzt werden, dann wird sie die Personalkosten ihrer Tagespflegeeinrichtung für Demenzkranke nicht mehr tragen können. Und mit diesem Problem ist sie nicht allein.

Das Problem sind dabei nicht die ausgebildeten Pflegekräfte, sondern die angelernten Helfer. Seit der Pflegereform 2008 ist es möglich, in zwei Monaten eine Qualifizierung zum Betreuer für Demenzbetroffene zu erwerben. So sollte die Versorgung der Kranken verbessert werden. Ein wichtiger Job, findet Birte Eilers, die selbst zwei Betreuerinnen in der Einrichtung „Am Turm“ in Sprockhövel beschäftigt. Sie spielen und singen mit den Gästen, haben Zeit für das, was über die reine Pflege hinausgeht. 7,25 Euro zahlt die Wittenerin dafür. „Kommt der Mindestlohn, werde ich Stellen reduzieren müssen.“ Sie plädiert daher dringend an die Politik, die Pflegekassen in die Verantwortung zu nehmen. „Sie müssen gezwungen werden, die erhöhten Personalkosten auszugleichen – und zwar sofort.“

Preise lieber selbst bestimmen

Dabei ist es nicht so, dass die 39-Jährige nicht gerne mehr zahlen würde. „Zehn Euro mindestens für die Betreuerinnen, das wäre angemessen. Und 20 Euro für die Pflegekräfte“, sagt die Geschäftsführerin, die ihr eigenes Gehalt auf gerade mal 13 Euro pro Stunde festgelegt hat, um überhaupt über die Runden zu kommen. Gute Betreuung mit ausreichend Personal koste Geld. „Aber ich kann meine Preise ja nicht selbst bestimmen.“ Die Sätze der Kassen aber, die seien viel zu niedrig bemessen. Und überhaupt: Von Pflegesatzverhandlungen zu sprechen, sei Hohn: „Ich gebe die Zahlen und kriege die Preise“, klagt die Pflegewissenschaftlerin.

Birte Eilers steht mit ihrer Klage nicht allein. Auch Stephanie Jobs von der Chelonia Tagespflege in Heven schimpft, dass die Tagespflege in der Verhandlungen schlecht weg kommt. Und auch sie fürchtet, dass sie Stunden kürzen müssen wird. „Das haut sonst nicht hin.“

Tarif führt zu Versorgungslücken

Dass die Sorge berechtigt ist, zeigt die Erfahrung von Günter Schröder. Er leitet das St. Josefshaus in Herbede, wo schon seit 2011 nach Tarif, also mindestens 11,39 Euro, gezahlt wird. „Mehr Geld von den Pflegekassen haben wir nicht bekommen, also mussten wir Stunden kürzen.“ Das habe zu gravierenden Einschnitten und Versorgungslücken geführt. Besorgungen, Begleitservice, Pfortendienst – vieles sei nicht mehr möglich.

Auch Schröder fordert, die Kassen in die Pflicht zu nehmen, die Lohnerhöhungen mitzutragen. Das Argument, dass kein Geld da sei, lässt er nicht gelten. „Eine Ausrede der Politik. Geld ist genug da: Was kostet es denn, sich an fünf Kriegen in der Welt zu beteiligen?“