Witten. .

„Rund ein Drittel der Kinder, die die Grundschule verlassen, können nicht schwimmen. Deshalb ist Ertrinken - nach Verkehrsunfällen - die zweithäufigste Todesursache bei Kindern“, weiß Ines Großer vom Stadtsportbund.

Alle Jahre wieder organisiert sie einen Ferienschwimmkurs in Kooperation mit fast allen Wittener Schwimmvereinen. Denn das Nur-Planschen-können wird für die Kinder irgendwann zum ernsthaften Problem.

Täglich laufen die Kurse, die schnell ausgebucht waren, zurzeit in den Lehrschwimmbecken der Brenschen- und der Hüllbergschule. Gerade kämpft sich Danilo mit der Poolnudel unter den Armen durchs Becken. „Mit fünf Jahren hat er den ersten Schwimmkurs belegt“, erzählt die Mutter des Siebenjährigen. „Aber irgendwie kommen wir nicht vorwärts, vielleicht klappt es ja jetzt.“ Wenn jeden Tag geübt wird, „haben 95 Prozent der Kinder am Ende der Herbstferien ihr Seepferdchen-Abzeichen“, sagt Schwimmlehrerin Kathrin Guth, Mitglied in der Sport-Union Annen.

Auch Max (6) und Jan (8) können auf ihre Schwimmflügel nicht verzichten, „weil wir in der Woche andere Sporttermine haben“, meint ihre Mutter. Ist das Nichtschwimmen in der Schule auffällig? „Nein, zwei Drittel der Kinder in Jans Klasse können das noch nicht.“

Ein türkischen Ehepaar beäugt kritisch ihre Söhne im Wasser. Acht und dreizehn sind die beiden. Und obwohl man jährlich am Schwarzen Meer Urlaub mache - wasserfit sind sie nicht. „Beim Unterricht in der Grundschule hat das nicht geklappt“, erklärt der Vater. Die Lehrerin sei nun auf sie zugekommen.

13 Jahre und Nichtschwimmer? Kathrin Guth (22) kann das nicht nachvollziehen: „Erschreckend. Irgendwann gehen die Kinder allein mit ihren Freunden ins Freibad. Und dann?“ In den weiterführenden Schulen werden Nichtschwimmer teils vom Schwimmunterricht ausgeschlossen - die Fortbewegung im Wasser solle man privat erlernen.

Dagmar Kuhlmann, Fachschaftsleiterin Schwimmen bei der Stadt, kann bezeugen, dass es immer mehr Eltern gibt, die nach Schwimmkursen für Kinder fragen, die längst sicher im Wasser sein müssten. „Aber je älter die Kinder werden, umso seltener bekennt man sich.“

Eine dreiviertel Stunde später begleitet Barbara Kammradt in der Brenschenschule neun erwachsene Nichtschwimmerinnen. „Ich bin in der Türkei aufgewachsen und dort wurde nur Jungs das Schwimmen beigebracht“, erzählt eine Dame. Eine andere stammt aus einem polnischen Dorf, „wo es weit und breit keine Schwimmhalle gab“. Sehr aufgeregt wagen beide diesen großen Schritt. „Meine Kinder können schwimmen“, sagt die türkische Mutter. „Und ich ging in allen Badeurlauben nur mit den Füßen ins Wasser.“