Witten. . Weil beim Starkregen am 20. Juni Chemie-Abwässer in das Flüsschen entlang der Stadtgrenze Witten-Dortmund überschwappten, muss Evonik bis November der Bezirksregierung eine Lösung präsentieren.
Wenn Lothar Stein aus seinem Haus schaut, sieht er ins Grüne. Aber genießen kann er den Blick kaum noch. Zu oft hat er sich schon darüber geärgert, dass der Grotenbach über die Ufer ging und oft dann auch sein Keller unter Wasser stand. Trauriger Höhepunkt war der Starkregen im Juni, der nicht nur den Grotenbach, sondern auch den parallel verlaufenden Witten-Annen-Kanal mit Abwässern des Chemieriesen Evonik zum Überlaufen brachte. „Als wir da mit Gummistiefeln durchliefen, wurden unsere Füße heiß“, erinnert sich Stein.
Dieser Fall ist auch der Bezirksregierung Arnsberg bitter aufgestoßen. Evonik darf pro Sekunde 48,2 Liter Abwässer in den Kanal einleiten. An diesem Tag aber wurde diese Menge überschritten, sagt Sprecher Dr. Christian Chmel-Menges. Hinzu kam, dass die Pumpen, die bei starker Belastung die Abwässer in ein Rückhaltebecken drängen sollen, offenbar aber nicht wie gewünscht funktionierten. Die Bezirksregierung hat Lösungsvorschläge von Evonik eingefordert, damit so etwas nicht noch einmal passiert. Frist: 15. November.
Bezirksregierung behält sich vor, den Notüberlauf zu schließen
Sollten diese nicht überzeugend sein, behalte man sich vor, den Notüberlauf zu schließen. Mögliche Konsequenz: Das Abwasser kann nicht mehr wie bisher bei hoher Belastung überlaufen und wird stattdessen ins Werk zurückgedrängt. „Für das Unternehmen würde das sicherlich zu Problemen führen“, so Chmel-Menges.
Eigene und externe Fachleute analysierten die Leistungsfähigkeit des Abwassersystems, so Evonik-Sprecher Ruben Thiel. „Im Dialog mit den Behörden suchen wir schnellstmöglichst nach einer für alle Seiten akzeptablen und tragfähigen Lösung, die auch solche Regen-Extremfälle mit abdeckt.“
Emschergenossenschaft plant Radweg am Grotenbach
Die Renaturierung des Grotenbaches sei auf Dortmunder Gebiet weitgehend abgeschlossen, auf Wittener Gebiet gingen die Arbeiten weiter, so Ilias Abawi von der Emschergenossenschaft. Geplant sei, dabei auch teilweise parallel zum Grotenbach einen Radweg einzurichten.
Damit sei aber wohl nicht vor 2017/2018 zu rechnen, so Abawi weiter. Das Chemie-Unternehmen Evonik indes betont, die Wasserqualität ständig zu überwachen. Die Flüssigkeit, die im Juni übergetreten sei, sei ein Mix aus Regen und Abwasser aus den Produktionsanlagen gewesen.
Natur soll freien Lauf haben
Lothar Stein und seine Nachbarn, die in Persebeck direkt an der Grenze zu Rüdinghausen wohnen, hoffen vor allem auf eine langfristige Lösung. Dass am 20. Juni die Gullis durch den Wasserdruck der Abwässer nach oben gedrückt worden sei, habe sie sehr erschreckt. Doch festschrauben, wie sie es sich wünschen, könne man die Gullis nicht. Denn wenn der Druck nicht über sie entweichen könne, platze im schlimmsten Falle der Kanal, so Emschergenossenschafts-Sprecher Abawi. Und dass der Grotenbach bei Starkregen über die Ufer gehe, daran müssten sich die Anrheiner auch gewöhnen. Denn aus der ehemaligen Köttelbecke sei ein sauberer Bach geworden, der Stück für Stück renaturiert werde. Und das bedeute auch, dass die Natur dann freien Lauf habe.
Binden und Tampons verhaken sich im Gebüsch
Ein Ärgernis für die Anwohner, denn immer wieder hätten sich Binden und Tampons im Gebüsch verhakt und wären dort geruchsintensiv verrottet. Das könne passieren, aber nur selten, so Abawi. Im Kanal würden sich in einem Beruhigungsbecken die Sedimente (Fäkalien, etc.) absetzen, das Wasser darüber sei dann nicht mehr „klärpflichtig“ und dürfe in den Grotenbach geleitet werden. Binden und Tampons schwämmen leider auch oben – und schwappten in seltenen Fällen mit hinüber.
Die Anwohner wollen trotz allem weiterkämpfen – für trockene Keller und einen „abwasserfreien Grotenbach“, so Lothar Stein.