Witten. . Der Wittener Fotograf und Bodypainter Norbert Dähn bemalte eine Frau im ehemaligen Kiosk an der Hauptstraße. Das zog viele neugierige Blicke an
Der Mercedes fährt schon das dritte Mal die Hauptstraße hoch und runter. Den Blick in den kleinen Glaspavillon der Volkshochschule an der Ecke zur Wideystraße können sich die beiden Männer im Auto nicht verkneifen. Verständlich, entsteht an diesem Abend doch ein nicht alltägliches Kunstwerk: ein farbiges, erotisches, lebendiges.
Eine Frau, 31, posiert auf einer Bühne, Künstlername: Max. Sie trägt nur einen Slip. Um sie herum sitzen einige Frauen, plaudern, trinken Prosecco und erhaschen ab und zu einen Blick auf das „Kunstwerk“. Die Männer beobachten das Geschehen aus sicherer Entfernung. Wirklich nah ran darf sowieso nur Norbert Dähn, Wittener Fotograf und Bodypainter.
Mal nimmt der 60-Jährige einen breiten Pinsel, mal einen zarten, zieht weiße Linien über Max’ Körper, blaue Zacken über Brust, Bauch, Beine, drückt sein Werkzeug zu Punkten mit der Liebe eines Künstlers auf die Haut. Die Farbe, die Blicke – Max stört das nicht, sie liebt es. „Ich mag das Aufregende. Es ist wie ein Kitzeln auf der Haut.“ Auch Dähn genießt solche Momente. „Ich liebe die Farbe, ich liebe die Schönheit.“
Max lernte Norbert Dähn im Internet kennen. Mit ihm tauschte sie sich über die künstlerischen Vorstellungen aus. „Es war von Anfang an ein warmes Verhältnis.“ Vielleicht war es die Erfahrung des 60-Jährigen, der seit 1986 mit Farben arbeitet. Vorher ging es für ihn unerotischer zu: erst als Koch, dann als Versicherungsfachmann.
Nun also doch: Jens, 29, traut sich als erster Mann mit Freundin Katharina, 27, ins Glashaus. „Ich wollte erst draußen warten, weil ich dachte: So groß wird der Pavillon nicht sein“, sagt er. Seine Partnerin ganz entspannt: „Die Frau ist ja bemalt, eigentlich nicht nackt.“ Und Jens beruhigt: „Man guckt ja mehr auf das Bild als den Körper.“ Okay, natürlich nehme er auch den Rest wahr, meint er und lacht.
Dähn macht ein Foto von Max: Sie trägt einen weißen Schleier, um sie herum ist es dunkel. Es wirkt mystisch. Am Ende wird UV-Licht sie – in aller Farbenpracht – zum Leuchten bringen. Der 60-Jährige weiß, was er tut. Er hat schon einige lebende Kunstwerke geschaffen und fotografiert. In seinem Wohnzimmer, dem Esszimmer, dem Kaminzimmer mit den etlichen Büchern – überall hängen Bilder schöner Damen. Anke Firsching (54), Dähns Frau, macht das nichts aus. Eifersüchtig sei sie nicht, wenn er mit dem Pinsel über den Körper seiner Modelle streiche. „Ich mag, wie er mit der Frau umgeht.“
Die Leute in der Straßenbahn auch: Bei jeder Vorbeifahrt landen die Nasen an der Scheibe der 310. Dann kommt wieder der silberne Mercedes. Es ist das vierte Mal.