Witten. .

Ali ist zwölf. Er spricht fließend Arabisch, ein paar Brocken Englisch – aber kaum Deutsch.

Vor zwei Monaten ist er mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder aus dem syrischen Aleppo nach Deutschland geflohen. Aus den Kriegswirren der Heimat in die Normalität eines fremden Landes, in dem er jetzt zur Schule gehen soll, sich irgendwie zurechtfinden muss.

Heute begleitet Ali seinen Vater Siad zum Sprachkurs für Flüchtlinge. Gemeinsam mit Najiba und Khayal aus dem Irak und Jamil aus Aserbaidschan arbeitet er sich Stück für Stück durch einen deutschen Text.

Die Dozentin Bogumila Nowacka-Kroll leitet mehrere Sprachkurse, ihr zur Seite stehen ehrenamtliche „Integrationslotsen“ der Caritas. Die Schüler haben unterschiedliche Sprach- und Bildungsniveaus: Manche können ihren Namen nicht schreiben, haben nie eine Schule besucht, andere wiederum haben in ihrer Heimat studiert.

„Als Flüchtling hat man eigentlich keinen Anspruch auf einen kostenlosen Sprachkurs“, sagt Hanna Dziuba, Leiterin der Freiwilligenagentur Fokus. Doch um sich integrieren zu können, Kontakte zu knüpfen, eine Existenz aufzubauen, sind Sprachkenntnisse unerlässlich. Zwar wird das Integrationsprojekt vom Bund und der EU gefördert, doch der Bedarf ist größer als die verfügbaren Mittel. Deshalb helfen die ehrenamtlichen Integrationslotsen, wo sie können: im Sprachkurs, bei Behördengängen, der Jobsuche und irgendwie auch bei der Freizeitgestaltung. „Ali schwimmt so gern, ich habe mich darum gekümmert, dass er einen Ferienpass bekommt und möchte ihn auch im Schwimmverein unterbringen“, sagt Rainer Staupendahl, einer der Lotsen. Warum er das macht? „Natürlich, um die Menschen zu unterstützen, damit sie sich hier einleben können.“ Für ihn eine Selbstverständlichkeit.

In der Runde von Siad, Ali, Khayal, Najiba und Jamil geht es mittlerweile um Speisen und Getränke. „Was mögen Sie, Jamil?“, fragt die Dozentin und Jamil antwortet formvollendet: „Ich mag Döner und Tee.“ Dass Bogumila Nowacka-Kroll ganze Sätze verlangt und auf das Verb besonders viel Wert legt, hat er schon verinnerlicht.

Als Najiba eine Frage nicht versteht, schaltet sich Petra Liermann ein und wirft ein arabisches Wort in den Raum. Die 42-Jährige hat zehn Jahre in Ägypten gelebt und kehrte vor eineinhalb Jahren mit ihrer fünfjährigen Tochter Mariam nach Deutschland zurück. Eine Flucht aus persönlichen Gründen. „Ich kam mit nur einem Koffer und habe viel Hilfe erhalten – jetzt möchte ich etwas zurückgeben“, sagt sie. Alis Schicksal macht sie betroffen – denn hier stößt das ehrenamtliche Engagement an seine Grenzen: „Er bräuchte noch viel mehr intensiven Deutschunterricht, damit er nach den Ferien in der Schule klarkommt, aber uns fehlen die finanziellen Mittel.“ Und so kann sie nur hoffen, dass Ali seine Zukunft in Witten trotzdem meistert: mit viel ehrenamtlicher Unterstützung und noch viel mehr Glück.