Otfried Böttcher ist Florist mit Herz und Seele. Das Traditionsgeschäft führt er in dritter Generation. Angefangen aber hat alles vor 100 Jahren in Annen mit Steckrüben und Stielmus.

Eine Gärtnerei, die seit 100 Jahren existiert? Da winkt man beim Landesverband Gartenbau ab - das gibt es fast gar nicht mehr. Aber in Annen! Familie Böttcher verkauft seit 1913 Pflanzen an der Holzkampstraße, wenngleich ihr Angebot sich völlig verändert hat.

Der alte Setzkasten befindet sich immer noch in den Verkaufsräumen, mitsamt den Stempeln, die einst auf die abgewogenen und in Tütchen verpackten Sämereien gedrückt wurden: auf Stielmus, Wirsing, Steckrüben der Marke „gelbe Hoffmanns Riesen“, Busch- und Stangenbohnen. Fast ausschließlich wurden in den ersten 70 Jahren Nutzpflanzen gezogen und verkauft - eine wichtige Bereicherung des damalig kargen Speiseplans der Wittener. „Jeder hatte doch irgendwo einen Schrebergarten“, erinnert sich Otfried Böttcher, 57, der das Geschäft in dritter Generation führt.

Bouquets waren immer gefragt

Allerdings: „Egal, wie es den Leuten ging, die Sehnsucht nach Blumen war groß.“ Das Bouquet zur Hochzeit, Konfirmation, Kommunion und die Trauerbinderei waren immer gefragt. Nur wurde sie anders präsentiert. „1950 wurden ein paar Nelken zusammengebunden. Heute wird selbst eine üppig bunt blühende Orchidee noch mit Dekorationen versehen“, sagt GeschäftsführerBöttcher. Man denke nur an das Alpenveilchen! „Vor zwanzig Jahren haben wir 1200 Stück gezogen. Die kauft heute keiner mehr!“

Die preisgekrönte Gärtnerei begann auf weiter Flur - und ist heute von dichter Wohnbebauung umgeben. Etwas uneinsehbar befindet sich hinter dem Geschäft ein Paradies - mit üppigen Gewächshäusern, einer Wiese mit Koniferen, und einer großen Holzlaube, in der auch Mitarbeiter-Feste stattfinden.

„Das gärtnerische Auge muss voll da sein“

„Sie glauben gar nicht, wie ich die liebe“, strahlt der Gärtnermeister, und ebenso stolz präsentiert er sein Bewässerungssystem der Gewächshäuser: Das „Ebbe-Flut-Prinzip“, bei dem die Pflanzen sich vier Minuten lang hemmungslos vollsaugen können, bevor das Wasser wieder abgelassen wird. Oder die Fließrinnen, bei denen das Regenwasser (es wird in einem Teich aufgefangen) über ein leichtes Gefälle unter den Geranien herfließt.

Das Interesse am elterlichen Betrieb hatte Otfried Böttcher „von Stunde Null an“. Er arbeitete zügig für die Meisterprüfung, die er mit 24 Jahren in der Tasche hatte. „Beruf kommt von Berufung“, sagt er überzeugt. „Heutzutage muss man in einer Gärtnerei nicht mehr schwer körperlich arbeiten, das übernimmt die Technik. Aber das gärtnerische Auge, das muss voll da sein.“