Witten. Die Wittener verzichten nicht aufs Frühstücksei. Viele fühlen sich aber verunsichert - davon profitieren die Hofläden
Die Sache mit dem Huhn und dem Ei beschäftigt uns schon ewig, in Zeiten der geschummelten Bio-Eier jedoch wieder ein wenig mehr. „Jeden Tag frage ich mich: Was kann ich überhaupt noch kaufen“, fragt Hülya Bayrak zweifelnd. Sie entscheidet sich für „dicke Eier“ vom Wochenmarkt. Denn ein Ei von einem glücklichen Huhn zu finden - das ist in Witten schwierig.
„Ja, die Leute fragen vermehrt nach und unsere Eier kommen aus dem Münsterland“, sagt man am Geflügel-Stand Schwiersch. Mehr allerdings auch nicht. Der zweite Eier-Händler, ein knorriger alter Herr, der seinen Stand immer vor der Buchhandlung Lehmkul aufbaut, hat keine Lust, die Herkunft seiner Produkte zu erklären. Die Kunden kommen dennoch und packen die weißen und braunen Hühnereier selbst in Kartons.
„Bei einem Bio-Ei bin ich skeptisch“, sagt Ruth Klein und kauft einen Zehnerkarton. „Das steht mir auf zu vielen Produkten.“ Die 75-Jährige kaufe lieber Regionales auf dem Markt ein und wähle überhaupt kaum fertige Sachen aus. „Damit fühle ich mich auf der sicheren Seite.“
Auch der kleine Agit (2) zieht seine Mama Aysel zum Eier-Stand. „Ich traue dieser Welt gar nicht mehr“, klagt diese. „Ich frage mich schon, ob das alles so richtig ist.“ Bislang kaufte sie Bio-Eier im Discounter, nun im Bio-Supermarkt Alnatura. Zwölf Eier verbrauche die fünfköpfige Familie pro Woche. Ihre Landsmännin Hülya Barak kommt auf 30. „Allein mein sechsjähriger Sohn isst am Tag zwei bis drei Eier“, lacht die 44-Jährige. Die türkische Küche setze stark auf Eier - gerührt zum Frühstück, herzhaft im Salat oder in Teigwaren, süß als Pfannekuchen.
Eier bleiben gefragt, auch wenn manchem - wie etwa Passant Fritz Krause die Herkunft „völlig schnuppe“ ist. Vom Bio-Eier-Skandal profitieren die kleinen Anbieter. Landwirt Bert Schulze-Poll vom Tranthenrother Hof verkaufte am gestrigen Dienstag „deutlich mehr“ Eier. Ähnliches berichtet Karin Thiele von ihrem Bommeraner Hofladen. Der Supermarkt Alnatura bietet Eier vom Hof Alpermühle im Oberbergischen Land an. Vermehrten Umsatz habe man an diesem Tag nicht gemacht, sagt Filialleiter Alexander Ostermann. „Die Kunden fragen auch kaum nach, sie wissen ja, dass wir diesen Hof kennen.“
Knapp fünf Wochen vor Ostern kann Detlef Sattler wohl am genussvollsten sein Frühstücksei verzehren. Er bezieht sie von den zwanzig Hühnern seines Nachbarn - denen er beim Picken und Scharren quasi zugucken kann. Detlef Sattler: „Für mich ist das ein Glücksfall.“