Birgit Selter-Teiber ist Lebensbegleiterin. Die Erzieherin unterstützt für den Ambulanten Hospizdienst Ruhrgebiet Familien, in denen Kinder mit lebensverkürzenden Erkrankungen leben. Zum bundesweiten Tag der Kinderhospizarbeit spricht sie offen über Tabuthemen.

Witten. Zuhören, Lebensfreude schenken und einfach da sein – das sind die Aufgaben von Birgit Selter-Teiber. Die 48-Jährige begleitet Familien mit sterbenskranken Kindern und Jugendlichen für den Ambulanten Kinderhospizdienst Ruhrgebiet in Witten. Die Erzieherin und Mutter von zwei Kindern spricht offen über den Tod und die verantwortungsvolle Aufgabe, für alle da zu sein.

Seit wann sind Sie Begleiterin?

Selter-Teiber: Wir nennen es Lebensbegleitung, denn wir stehen oft über Jahre mit den Familien in Kontakt. Einige suchen den Kontakt über den Tod hinaus, andere wollen an dieser Stelle abschließen. Jeder Begleiter ist für eine Familie da, die er oder sie einmal in der Woche besucht. Ich bin seit 2008 dabei, damals habe ich den Befähigungskurs gemacht. Vorher war ich im Erwachsenenhospiz im Bochum/Wittener Raum tätig.

Wie sehen die Kontakte aus?

Das ist ganz unterschiedlich. Mal beschäftige ich mich mit dem Kind, mal hat die Mutter Gesprächsbedarf. Dann setzt man sich bei einem Kaffee hin. Ganz wichtig sind auch Geschwisterkinder, denn die geraten in dieser Situation schnell ins Hintertreffen. Es braucht oft eine Weile bis die Familien Vertrauen zu mir aufbauen. Die sie leben oft isoliert, weil der Tod leider immer noch ein Tabuthema ist.

Fühlt man sich nicht selbst nach einer Weile als Teil der Familie?

Man darf sich nicht emotional einbinden. Wir sprechen sehr häufig im Team über unsere Arbeit. Direkt mit in das eigene Zuhause bringen wir nichts, weil wir unsere Privatsphäre schützen müssen. In meiner Familie ist meine Tätigkeit aber kein Tabu. Meine Kinder (16 und 8 Jahre alt) wissen, was ich mache und bekommen natürlich mit, wenn ich mal akut weg muss. Sie kommen auch mit zu den Veranstaltungen des Hospizdienstes. Ich finde es gut, dass sie dadurch lernen, dass es noch etwas anderes gibt als Normalität.

Wie sehen Sie den Tod?

Für mich ist das nichts Endgültiges, das habe ich von klein auf so mitbekommen. Es wurde in unserer Familie ganz offen darüber gesprochen. Ich denke, das Sterben kann schwer sein, der Tod ist es aber nicht. Man kann ihn nicht ausschließen, weil er zum Leben gehört. Eltern, die mit uns in Kontakt treten, setzen sich damit bereits auseinander. Sie suchen diese Offenheit und nicht die verhaltenen Reaktionen, die sie von ihrer Umwelt bekommen. Der Tod ist zum Tabuthema geworden, weil er nicht mehr in den Familien passiert, sondern im Krankenhaus. Er gehört für mich in das Familienleben. Deshalb ist es wichtig, damit an die Öffentlichkeit zu gehen.

Hat Ihre Tätigkeit Sie geprägt?

Auf jeden Fall: Ich kann diese verhaltenen Reaktionen, die ich erhalte, wenn ich von meiner Arbeit spreche, jetzt viel besser ertragen – diesen Schreckmoment, der dann bei meinem Gegenüber entsteht. Aber vor allem ist mein Respekt für die betroffenen Familien enorm gewachsen. Es ist so beeindruckend, wie viel sie aushalten und mit wie viel Liebe sie das tun.