Witten. . Mieterverein beklagt drastische Abnahme von öffentlich geförderten Unterkünften in Witten.Stadt: Es gibt genug günstigen Wohnraum. Siedlungsgesellschaft baut Bestand zunächst nicht aus
Der Mieterverein zeigt sich besorgt über die immer weiter abnehmende Zahl sozialer Wohnungen in Witten. „Das trifft vor allem Familien mit Kindern und ältere Menschen“, warnt der Vorsitzende Knut Unger gegenüber unserer Zeitung. In den letzten vier Jahren hat die Zahl der Sozialwohnungen in Witten um fast 1000 abgenommen.
Waren 2008 noch 4362 Unterkünfte öffentlich gefördert, sind es zurzeit nur noch 3477. Sie sind vielfach aus der Zweckbindung als Sozialwohnungen herausgefallen, weil Fristen abgelaufen sind. Nicht nur Empfänger mit Wohnberechtigungsschein können diese nun mieten, sondern jeder. Menschen mit wenig Geld werden also nicht mehr bevorzugt. Rolf Cremer, Leiter des Amtes für Wohnen und Soziales, beruhigt: „Es gibt genug bezahlbaren Wohnraum auf dem freien Markt in Witten.“ Knut Unger sieht zwar „keine absolute Wohnungsnot“, warnt aber: „Über 80 Quadratmeter gibt es ein Unterangebot.“ Das treffe vor allem Familien mit wenig Geld.
Mieterverein sieht Sanierungsbedarf
Wie hoch der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum ist, zeigt auch die Zahl der Wohngeldempfänger. 2008 bekamen 1286 Wittener diese Unterstützung, 2012 waren es schon 2100. Allerdings hängt das laut Stadt auch mit der Wohngeldnovelle 2009 zusammen. Damals wurden die Einkommensgrenzen und die anzuerkennenden Mieten erhöht.
Neben einer zu geringen Zahl an Sozialwohnungen beklagt der Mieterverein auch einen Sanierungsstau in Witten. „Der größte Teil des Bestandes der Mietwohnungen ist erneuerungsbedürftig“, sagt Unger. „Da haben wir einen enormen Reparaturbedarf. Oft ist seit 30 Jahren nichts passiert.“ Hier seien Genossenschaften und Investoren in der Pflicht, „mindestens 30 Euro pro Quadratmeter und Jahr“ in die Sanierung des Bestandes zu stecken. Das erreiche zurzeit nur die Genossenschaft Witten-Mitte, so Unger.
Dass das Land nun plant, mehr Geld in die „Aufwertung von Wohnquartieren“ zu stecken, stößt denn auch grundsätzlich auf Zustimmung beim Mieterverein. Besonders bei alten Arbeitersiedlungen in Annen oder Heven gebe es Bedarf. „Sanierungen heißen aber auch schnell Mietsteigerungen“, warnt Knut Unger. „Ohne öffentliche Förderung besteht die Gefahr, dass sich viele ihre vier Wände nicht mehr leisten können.“
Siedlungsgesellschaft baut nicht neu
An dieser Stelle sieht Unger vor allem die Wittener Siedlungsgesellschaft, die sich bezahlbaren Wohnraum auf die Fahnen geschrieben hat, in der Pflicht. Geschäftsführer Uwe Träris räumt ein, dass das geringe Eigenkapital wegen Verlustgeschäften aus der Vergangenheit zu niedrig für Neubauten seien. Allerdings sollen auch keine Bestände unter den Hammer kommen. „Wir konzentrieren uns in den nächsten fünf Jahren auf die Sanierung unseres Bestandes.“ Die Gefahr, dass die Wohnungen für viele dann nicht mehr bezahlbar sein könnten, sieht Geschäftsführer Uwe Träris nicht. Mieterhöhungen würden „sozialverträglich steigen“.
INFO
Die Siedlungsgesellschaft hat rund 1350 Wohnungen in Witten. Jeder vierte Mieter ist Hartz-IV-Empfänger. Erst kürzlich wurden etwa Wohnungen am Kösters Hof in Rüdinghausen saniert, 2013 steht die Schellingstraße 2-4 an.
Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein und damit auf eine öffentlich geförderte Wohnung haben nur Haushalte mit geringem Einkommen: Bei vier Personen rund 42 000 Euro brutto jährlich, bei Singles 24 000.