Witten. .
Ein stotternder Mann in einer politisch wichtigen Rolle: Undenkbar. Gerade in Großbritannien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Vier Oscars brachte „The King’s Speech“ dem Regisseur Tom Hooper 2011 ein. Mit einer deutschsprachigen Bühnenfassung der bekannten Filmbiografie über Prinz Albert, Duke of York, gastierte jetzt das Ensemble der Theatergastspiele Kempf an zwei Abenden im Saalbau.
Noch lebt der Vater, noch steht der ältere Bruder in der Thronfolge über ihm. Doch eine im Radio übertragene Ansprache zum Ende der „British Empire Exhibition“ in Wembley ist es, die Prinz Albert 1925 an die Grenzen seiner Kräfte bringt. Im Film ist es das blinkende Licht, das die Radioübertragung anzeigt, und eine gespannt wartende Masse auf den Tribünen, die Colin Firth in seiner Rolle als Prinz Albert den Schweiß auf die Stirn treibt. Doch die Theaterinszenierung von Helmuth Fuschl muss ohne dramatisierende Kameratotale und Statisten-Massen auskommen.
Es ist das Saalbaupublikum selbst, das auf den Rängen abwartet, wie sich Schauspieler Götz Otto in der Rolle des künftigen Monarchen schlagen wird. Das Bühnenbild ist karg und die Bühne abgedunkelt. Eine Stellwand begrenzt den hinteren Teil. Vor Kopf öffnet sie wie automatisch eine Schiebetür. Ein akustischer Einspieler des BBC-Radiomoderatoren eröffnet die Inszenierung. Im dunklen Anzug tritt Götz Otto an das historisch anmutende Mikrofon. Und dann beginnt er zu stottern.
Langsam scheint er die Worte in Gedanken zu formulieren. Unverständliche Konsonanten pressen sich immer schneller aus seiner Kehle. Zwischen den Worten folgt längeres Stocken.
Das gespielte Stottern beherrscht Otto. Doch so ganz mag man dem großgewachsenen Schauspieler mit den markanten Gesichtszügen, der als Bösewicht-Handlanger aus dem Bond-Film „Der Morgen stirbt nie“ oder als Nazi-Anführer aus „Iron Sky“ bekannt ist, das fehlende Selbstvertrauen des vom Sprachfehler geplagten Monarchensohnes nicht glauben. An die verzweifelte Hilflosigkeit, die Colin Firth im Film zeigte, kommt er nicht heran.
Auch Steffen Wink scheint in der Rolle des australischen Sprachtherapeuten Lionel Logue nicht an die bekannte Film-Verkörperung von Geoffrey Rush anzuknüpfen zu wollen. Zwar legt er dem Würdenträger gegenüber genau wie im Film eine offenherzige Art von Impertinenz an den Tag, nennt ihn lieber beim Spitznamen „Bertie“ und nimmt keinerlei Rücksicht auf Protokoll und Umgangsformen. Aber sein Auftreten ist weitaus forscher und seiner Rolle scheint in der Inszenierung eher auf lockere Sprüche denn auf Einfühlungsvermögen angelegt zu sein.
Dieser mitunter flapsige Humor allerdings ist es, der das Theaterstück trotzdem sehenswert macht und dabei sogar manche Längen der Filmvorlage gekonnt auslässt.