Witten. . Eine alte Dame ist gestürzt. Was nun? An der Uni Witten/Herdecke üben die Medizinstudenten den Weg zur Diagnose. Die Fälle sind zwar real, aber für die Erstsemester nur auf dem Zettel verfügbar. In ihrem Tutorium an der Uni müssen sie selbst entscheiden wie sie handeln würden.

„Anni König, 76 Jahre, in der Wohnung gestürzt, klagt über Schmerzen im linken Bein.“ So lautet der Fall für die Medizinstudenten im ersten Semester. Natürlich sitzt keine alte, kranke Dame vor ihnen. Die Fälle bekommen die Erstsemester in ihrem Tutorium auf Papier. Dann müssen sie selbst entscheiden, wie sie behandeln wollen.

Zu sechst sitzen die Erstis in einem kleinen Raum in der Uni Witten/Herdecke, mit dabei sind Tutorin Kathi Hildebrandt und Arzt Michael Coll zur Aufsicht. Systematisch schreiben die Studenten die Symptome der kranken Frau vom Papier an eine Tafel: Schmerzen im linken Bein, Außenrotation, Schwellung an der Hüfte. „Das könnte eine Oberschenkelhalsbruch oder eine Hüftluxation (ein ausgerenktes Hüftgelenk) sein“, sagt einer der Studenten fachkundig. Beide Thesen werden an die Tafel geschrieben, nun müssen Gründe für die Verletzungen gefunden werden.

Innerhalb weniger Minuten entscheiden

So geht es eine Stunde lang. Zuvor wird der Fall der letzten Woche nachbearbeitet. Arzt Michael Coll erklärt: „Das ist unglaublich wichtig für einen Mediziner. Irgendwann stehen die Studenten im Krankenhaus und müssen entscheiden, was ein Patient hat. Da muss das, was jetzt eine Stunde dauert, innerhalb weniger Minuten geschehen. Deshalb müssen sie es üben.“

Tutorin Kathi Hildebrandt ist von den diesjährigen Erstsemestern begeistert. „Wenn ich sie vergleiche mit uns damals, habe ich das Gefühl, dass sie schon viel mehr wissen, als wir zu diesem Zeitpunkt“, so die Studentin im fünften Semester. Zwischendurch zeigen die Erstis aber wieder, dass sie doch erst mit ihrem Studium angefangen haben. Chaos bricht aus bei der Begründung der Thesen, alle reden durcheinander. Bis es Leonard Hartung reicht. „So Leute, jetzt lasst uns mal wieder konzentrieren.“

Sinnvollste Art zu Üben

Nach langem Hin und Her und der Begutachtung eines Original-Röntgenbildes aus dem Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke wissen die Studenten endgültig: Anni König hat einen Oberschenkelhalsbruch und sie braucht ein künstliches Hüftgelenk. Ein bisschen stolz sind die sechs schon auf sich und ihren Spürsinn. Für die Studenten ist diese Art von Übung die Sinnvollste. Franziska Luster meint: „So müssen wir selbst denken und haben niemanden vorne stehen, der uns das Wissen vorkaut.“

Den Rest der Woche beschäftigten sie sich in ihren Vorlesungen genau mit diesem Thema. Und am Montag im Untersuchungskurs wurde dann an sich selbst und den anderen Teilnehmern geübt. Juliane Ruf sagt: „Die Orthopäden sind dabei und zeigen uns genau, wie wir Patienten abtasten müssen, ohne dass wir ihnen weh tun. Da müssen wir noch viel lernen, denn wir sind noch viel zu zaghaft.“