Witten. . Betroffene brauchen die richtigen Kontakte. Eine Angehörige erzählt beim Aktionstag auf dem Marktplatz von ihren Erfahrungen.

Sie sind auf die Straße gegangen, um das Thema Demenz in die Öffentlichkeit zu bringen. Mitten auf dem Rathausplatz haben sie ihre Stände und die roten Schirme aufgebaut, darunter der TuS Bommern, die Selbsthilfekontaktstelle Witten, Wetter, Herdecke, die Caritas und die Awo. Doch viele Bürger sind es nicht, die stehen bleiben, um sich zu informieren.

„Es ist ein Thema, das eher verschreckt“, sagt Anke Steuer vom Netzwerk Demenz. Die 44-Jährige hat festgestellt: „Viele hören nur mit halbem Ohr zu, wollen nichts damit zu tun haben – fast als wäre die Krankheit ansteckend.“ Die Vorstellung, dass es Lebensqualität trotz Demenz geben könne, sei in den Köpfen nicht vorhanden. Noch nicht, denn dafür setzen Anke Steuer und ihre Mitstreiter sich ein – ohne etwas schönreden zu wollen.

Wichtig sei ein umfangreiches Unterstützungssystem. „Da sind wir in Witten schon recht gut aufgestellt“, sagt Steuer. Ende des Jahres soll es einen Wegweiser Demenz geben. „Und wir wollen eine Selbsthilfe für Menschen installieren, die früh betroffen sind.“

Wie hilfreich die richtigen Kontakte sein können, hat Renate Blitt-Engel erfahren. Die 63-Jährige erzählt auf dem Markt, wie es war, als ihr Mann erst Parkinson, dann Demenz bekam. 2003 war das, als er zunächst Unsicherheiten beim Gehen entwickelte und später Orientierungsprobleme bekam. „Er fand die Toilette bei Freunden nicht mehr.“ Fünf Jahre hat es gedauert, bis Renate Blitt-Engel offen sagen konnte: „Ja, mein Mann hat Demenz.“ Und sie kann sich noch genau daran erinnern, wie sie bei einer ähnlichen Veranstaltung wie dieser so getan hat, als wolle sie sich nur mal informieren. Dabei traf sie Ursula Beyling von Mobile – und erfuhr, welche Entlastungsangebote es für pflegende Angehörige gibt.

Renate Blitt-Engel besuchte das Café Vergissmeinnicht und genoss nicht nur „die unheimliche Herzlichkeit“ dort: „Es war als würde mir jemand einen Spiegel vorhalten. Auch andere banden Lätzchen oder rückten Stühle zurecht“. Sie holte sich immer mehr Hilfe, arbeitete weiter halbtags, „sonst wäre ich verrückt geworden“. Bis acht Wochen vor seinem Tod im November 2010 war ihr Mann zu Hause. „Es war eine verdammt schwere, aber auch sehr innige Zeit.“ Renate Blitt-Engel hatte das Glück, dass ihr Mann sie bis zum Schluss erkannte. Noch heute trifft sie sich mit vier Frauen, die sie im Café kennenlernte.

Solche Beispiele sind es, die bei Ursula Beyling gar nicht erst Enttäuschung aufkommen lassen, dass der Aktionstag eher schlecht besucht war. Wenn auch nur wenige Gespräche stattgefunden haben – für die Betroffenen, so Beyling, können sie eine Menge bedeuten.