Witten. .

Sie nennen ihn wahlweise „unser Dorf“ oder „das grüne Viertel“: Viele Rüdinghauser sind mit ihrem Stadtteil eng verbunden – obwohl sie in der Vergangenheit wenig kommen, aber viel gehen sahen.

Ja, sie können es hier nicht mehr hören. Kik, Schlecker, der Wochenmarkt. „Es ist zum Heulen“, sagt Gustav-Adolf Schefers. Der 72-Jährige stemmt gerade gegen elf Uhr sein erstes Pils. Hier in der Dorfschänke fühlt er sich zuhause, von seinen Kollegen wird er nur liebevoll „Teddy“ genannt. „1958 bin ich von Annen nach Rüdinghausen gezogen“, erinnert sich Schefers. Es war die Liebe, die ihn hierhin gezogen hat. Und der Sport.

Dem Wochenmarkt fehlten Kunden

„Teddy“ ist dorfweit bekannt als Ex-Torwart von TuRa Rüdinghausen. „Nicht beim Fußball“, stellt der glühende BVB-Fan gleich klar. „Feldhandball habe ich gespielt.“ Da habe er Freunde gefunden, die ihm noch heute die Treue hielten. „Dafür ist mein Wochenmarkt nicht mehr.“ Frisches Gemüse habe er dort stets gekauft. Doch vor zwei Jahren kam das Aus. „Wie bei vielen Geschäften fehlten einfach die Kunden.“ Einkaufen gehe er jetzt immer um die Ecke, in Dortmund.

Bei all dem Kommen und Gehen der Einzelhändler: Ein paar Meter weiter, in der Brunebecker Straße, scheint die Zeit stehen geblieben. Hier blühen Holunderbeeren und wilde Rosen. Günter Schimmack steigt aus dem 320er, genießt die frische Luft. „Es ist eine wunderschöne Gegend hier, ein grünes Viertel“, sagt der 86-Jährige. „Wir haben den Rheinischen Esel vor der Tür. Dort gehe ich gern spazieren.“ Doch es gebe auch Seiten von Rüdinghausen, die ihm nicht gefallen.

„Ich bin vor 41 Jahren hierhin gezogen. Damals war das noch nicht so zugepflastert“, erinnert sich der Rentner. Auch bei der Busanbindung drückt der Schuh. „Ich komme mit dem 320er nicht zu unserem Supermarkt. Dafür bis zum Boni vor die Tür.“ Und dann entdeckt der Rüdinghauser einen bekannten Namen auf dem Notizblock des Reporters. „Mit dem Klaus haben Sie auch geredet?“

„Den Kesper“ kennt hier jeder

Im „Dorf“, da kennt man sich. Klaus Ender, 68, ist ein waschechter Rüdinghauser. Viel, sagt er, sei ja nicht mehr übrig von „meinem Rüdinghausen“. Aber weg möchte er auf keinen Fall. „Hier habe ich das Haus meiner Eltern geerbt, hier bin ich zuhause.“ Daran ändert auch das Aus seiner Ex-Stammkneipe „Haus Denda“ nichts.

Das Kneipensterben ist auch Martina Wierig nicht verborgen geblieben. Die 45-Jährige wohnt seit zehn Jahren, und da ist es wieder, „in meinem Dorf“. „Ich bin oft mit meinem Hund über den Rheinischen Esel und auf Tour durchs Grün mit dem Motorrad.“ Zum Einkaufen aber fahre sie nach Dortmund. „In Hombruch bin ich in fünf Minuten, in die Wittener Innenstadt brauche ich fünfzehn.“ Auch wenn sie weiß: „Den Kesper gibt’s schon ewig.“ Aber das muss sie wissen als Rüdinghauserin.

„Der Kesper“, das ist der Supermarkt. Seit 80 Jahren sind hier Tomaten, Pflaumwein und das Neueste aus Rüdinghausen Thema. Erst in der Brunebecker Straße 33, jetzt in der Friedrich-Eber-Straße. Mit Hermann Kesper fing alles an, es folgten Sohn Herman, dann Joachim und nun seine Kinder Tobias und Julia. „Nachbarschaftsladen“, nennt das Ex-Chef Joachim Kesper als eine ältere Dame auf ihn zukommt. „Herr Kesper, haben Sie gar keine Bubi-Sahne mehr?“ Rüdinghausen, hier kennt man sich.

INFO

Rüdinghausen hat etwa 6600 Einwohner. Die Anfänge reichen bis ins 11. Jahrhundert zurück. Damals siedelten sich Bauern an

Mittlerweile ist Rüdinghausen auch bekannt als Industriestandort: Hier gibt es nicht nur das Möbelgeschäft Ostermann, sondern auch den Werkstoffhersteller Ardex und die Firma „Kronenbrot“

Nach dem Aus von Schlecker und Kik gibt es u.a. noch eine Post, Kioske, eine Apotheke, ein Imbiss und einen Blumenladen