Witten. .

Es sollte eigentlich alles gut sein. Familie Steidel hat in Annen eine Wohnung gefunden, die Familienverhältnisse durch Heirat in Ordnung gebracht, Hartz IV beantragt und sich eingerichtet. Dann aber gerieten sie in die Mühlen der Verwaltung. Vom Jobcenter kommt kein Geld, jetzt droht ihnen eine Räumungsklage, und das Jugendamt wurde schon wegen der Kinder vorstellig.

Kai-Uwe und Diana Steidel, beide 37, haben nach einer, sagen wir mal, etwas bewegten Vergangenheit im August den Bund fürs Leben geschlossen. Vier Kinder sind aus früheren Verbindungen da, und noch haben sie ein Zuhause an der Annenstraße. Der arbeitslose gelernte Dachdecker und die Hausfrau haben Leistungen beim Jobcenter beantragt, das auch für die Mietzahlungen zuständig ist. So weit, so verständlich.

„Anfang Juni haben wir durch eine Nachbarin erfahren, dass von uns weder Miete noch Kaution beim Vermieter eingegangen sei“, wundert sich Diana Steidel. Und vor einigen Tagen sei dann schriftlich die fristlose Kündigung mit Androhung einer Räumungsklage eingegangen - wegen rund 6000 Euro Mietrückstände. Die Steidels fielen aus allen Wolken.

Gleichzeitig mahnte das Jugendamt an, endlich Kinderzimmer für die vier Kinder einzurichten. Von Hartz IV aber haben sie bisher noch keinen Cent gesehen - Kindergeld und die Unterhaltszahlungen ihres früheren Ehemanns seien die einzigen Einnahmen, so Diana Steidel.

Immer wieder kam Post

Es kam aber noch mehr Post. Denn das Jobcenter hat das Ehepaar keineswegs vergessen. Kai-Uwe Steidel hat einmal von einem Sachbearbeiter erfahren, dass seine Unterlagen „erst gestern“ eingegangen seien, ein anderer Sachbearbeiter aber habe ihm mitgeteilt, die Sache sei „längst in Bearbeitung“.

Möglicherweise haben sogar beide Sachbearbeiter recht, denn die Familie hat immer wieder neu Urkunden, Bescheinigungen und Kontoauszüge einzureichen. Irgendwann sah sich das Ehepaar durch den Papierkrieg überfordert und übergab alles einem Anwalt.

Wolfgang Schrage hat den Fall übernommen. „Für mich ist es völlig überflüssig, dass es überhaupt so weit kommen muss“, so der Annener Rechtsanwalt und Notar. „Die Familie hat begründete Ansprüche an das Jobcenter. Dieses hat jedoch stapelweise Unterlagen von der Familie verlangt. Wurde die eine Liste abgearbeitet, kam eine neue an. Es erscheint mir sehr weit hergeholt, was das Jobcenter fordert.“

Zeit für mehrseitige Schreiben

Der Anwalt zeigt sich überrascht, dass das Jobcenter einerseits mit über 15 000 Altfällen im Rückstand sei, andererseits bei aller Überarbeitung Zeit für zahlreiche mehrseitige Schreiben an die Familie fände. „Das macht doch immer wieder Extraarbeit. Dabei liegt es auf der Hand, dass die Familie berechtigt ist. Doch dieser Fall wird übermäßig bürokratisch gehandhabt.“

So gehe aus dem zuletzt abgelehnten Widerspruchsbescheid hervor, dass nur noch Kontoauszüge des Sohnes gefehlt hätten. Schrage: „Hätte man das denn nicht vorher einfach mitteilen können, statt sie weiter ohne Zahlung da stehen zu lassen?“ Er zieht jetzt für die Familie vor das Sozialgericht.

Die Steidels aber bleiben weiter ohne Geld. Kai-Uwe Steidel hat ab November eine größere Wohnung in Aussicht. Bis dahin aber schläft er schlecht: „Ich habe jeden Morgen Angst, dass der Möbelwagen vor der Tür steht, das Jugendamt uns die Kinder wegnimmt und unsere Familie zerbricht.“