Witten. .
Konrad Krämer war gerade einen Tag tot, da traf ein Brief seiner Krankenversicherung ein.
„Bitte haben Sie Geduld, wir werden Ihren Widerspruch bearbeiten.“ Zu Lebzeiten hatte die Kasse dem Schwerstkranken das von ihm beantragte und dringend benötigte Pflegebett verweigert.
Der Patient mit Darmkrebs im Endstadium verbrachte die letzten Lebenswochen zuhause und brauchte deshalb das spezielle Bett. Dass es ihm von seiner Krankenversicherung versagt wurde - offenbar kein Einzelfall. Genauso verfuhr die BKK Hoesch - das ist nicht die Krankenkasse von Konrad Krämer - im Falle eines anderen todkranken Patienten. Der Antrag fürs Pflegebett sei erst nach dem Tod des Witteners eingegangen, begründet die Betriebskrankenkasse ihre Ablehnung. „Ein Toter muss nicht mehr mit einem Pflegebett versorgt werden“, erklärte Peter Bradtke, Leiter der Leistungsabteilung der BKK Hoesch, am Freitag gegenüber unserer Zeitung.
Dr. Kurt Schmelzer vom Palliativnetz macht die Ablehnung der Kassen wütend. „Sollen wir jetzt eine Lebensspannengarantie geben, wenn wir etwas verordnen?“ fragt der Palliativarzt. „Sollen wir vorsichtshalber nichts mehr verordnen, wenn der Tod nahe ist und die Post zu lange zur Krankenkasse braucht? Sollen wir Sterbende auf dem Boden pflegen?“
„Anforderung drei Wochen zu spät“
Die Kasse habe erst jetzt erfahren, dass schon zu Lebzeiten ein Pflegebett angeschafft wurde, entschuldigt sich Peter Bradtke, der Abteilungsleiter der BKK Hoesch. „Das Sanitätshaus hat die Anforderung erst drei Wochen später, nach dem Ableben des Versicherten, an uns geleitet.“ Weil die häusliche Versorgung des bettlägerigen Patienten nicht anders möglich gewesen war, hatte das Palliativnetz ein Sanitätshaus beauftragt, das zum Selbstkostenpreis das Bett lieferte.
Das Palliativnetz Witten e.V. hatte in beiden Fällen die Pflegebetten aus Spendengeldern vorfinanziert - eben weil sich die Versicherungen weigerten, die Kosten zu übernehmen. „Dieses Verhalten ist sehr peinlich“, erklärt der Sohn des Verstorbenen, der bei der BKK Hoesch versichert war.
Auch der bekannte Palliativmediziner Dr. Matthias Thöns kritisiert das Verhalten bestimmter Kassen. „Wenn rasch ein Hilfsmittel wie etwa ein Pflegebett benötigt wird, dauert es manchmal lange oder eine Bewilligung findet nicht statt.“ Thöns spricht offen von einem Skandal. Solche Streitfälle seien kein Einzelfall. „Das ist ein wiederkehrendes Problem.“ Selbstverständlich müssten den Versicherten die notwendigen Hilfsmittel gestellt werden.
Dies geschehe bei den größten Krankenkassen, etwa der AOK, auch problemlos, meint Thöns. Dort werde Wert auf eine umfassende Versorgung auch ihrer sterbenskranken Mitglieder gelegt. Sollte es dennoch Probleme geben, finanziert das Palliativnetz das Pflegebett vor und holt sich das Geld von der Versicherung zurück.
Stirbt der Versicherte, bevor die Kasse das Pflegebett bewilligt hat, hat das makabre Folgen wie im Falle Konrad Krämers. Dass die Kasse ausgerechnet einen Tag nach seinem Tod per Post die Bearbeitung des Widerspruchs ankündigte, schockte die Angehörigen um so mehr. Inzwischen haben beide Krankenkassen eingelenkt und die Kosten übernommen. Peter Bradtke von der BKK Hoesch gestern zur Redaktion: „Wir erstatten den Kostenvoranschlag für den Einlegerahmen fürs Bett und das Sanitätshaus erstattet dem Palliativnetz die verauslagten Gelder.“.
Das hätten sich die Angehörigen schon früher gewünscht.