Witten. . Bei Jürgen Frickmann landen Ärztekittel, Restaurant-Tischdecken und Hotelbetten in der Waschmaschine. Aber auch die Stars des Zeltfestivals lassen ihre Klamotten hier reinigen
Jürgen Frickmann hat eine Radiostimme. Er spricht sehr deutlich und einen Ticken lauter als andere. Doch ein Mikro sucht man vergeblich in seiner Nähe. Es sind die dauerdröhnenden Waschmaschinen und Trockner, die seine Stimme geformt haben.
Schon draußen hört man den Trockner, sein immergleiches Wummern drängt aus allen Fenstern und Türen. Es ist Freitagmittag, deshalb stimmen die Waschmaschinen nicht in diesen Klang ein, aber die Popmusik aus dem Radio.
Mittendrin legen Jürgen Frickmann (44) und seine Mitarbeiterin Eva Kaisik (39) Trockentücher in die Heißmangel. Noch leicht feucht werden sie von der riesigen rotierenden Walze auf der einen Seite verschluckt, auf der anderen kommen sie faltenfrei und trocken wieder heraus. Und da steht Roswitha Brei, die sie mit drei geschickten Handgriffen zusammenlegt. Das eine wie das andere, akkurat und perfekt, Kante an Kante gestapelt.
Wenn man die 62-Jährige so beobachtet, wie sie routiniert ganze Wäscheberge abarbeitet, kein Schweißtröpfchen auf der Stirn, könnte man meinen, das sei ein Spaziergang. Aber eigentlich ist es mehr ein Marathonlauf in der Sauna. Denn obwohl alle Fenster aufgerissen sind und das Thermometer im Freien nur 19 Grad anzeigt, herrschen an der Heißmangel über 27 Grad. Im Hochsommer klettern die Temperaturen auch schon mal an die 40, weiß Frickmann: „Wir haben immer kistenweise Wasser hier.“
Wenn nichts mehr geht, gibt’s noch die Textildusche. Sie hängt über der Heißmangel und ist zum Befeuchten der Wäsche da — „oder für uns“, sagt Eva Kaisik und lacht. „Ich hätte auch nichts gegen Bikinizwang im Sommer“, sagt Jürgen Frickmann und lacht ebenfalls. „Aber die Damen wollen nicht.“
Eva Kaisik arbeitet erst seit zwei Monaten in der Wäscherei an der Breite Straße. Sie wohnt ganz in der Nähe, und da passte es super, dass Frickmann eine Minijobberin suchte. Ihr mache die Arbeit Spaß, sagt sie. Klar sei es warm, „aber man geht ja auch freiwillig in die Sauna“.
Ihre Kollegin Roswitha Brei hat viele Jahre in einer Fabrik gearbeitet und wurde dann arbeitslos. Als ihr Mann starb, kaufte sie sich zwei junge Maine-Coon-Katzen. Das sind die sanften Riesen mit dem langen Fell. „Die beiden sind verwöhnt“, sagt sie. „Da muss ich noch was verdienen.“ Also fing sie in der Wäscherei an. Das war noch bei Frickmanns Vorgänger. Ihr gefalle das Arbeitsklima, „wir sind lustig und lachen viel“. Klar sei es heiß und man arbeite im Stehen, „aber damit komme ich gut klar“.
Im Eingangsbereich stapeln sich gefüllte Körbe. Freitags holen viele Kunden ihre Wäsche ab. Gerade kommt ein junger Mann herein und nimmt die Trikots für den VfB Annen mit. Anderen Kunden liefert Jürgen Frickmann die Wäsche zur Tür. Vor allem Textilien aus Restaurants und Hotels wandern in seinem Betrieb von Waschmaschine zu Trockner und Mangel, aber in der Wäscherei hängen auch blütenweiße Arztkittel neben pinken Cocktailkleider und karierten Herrenhemden. Letztere natürlich ohne jede Falte. „Das ist Übungssache“, sagt Eva Kaisik. „Wenn jemand die Hemden schon in Trockner hatte und sie völlig verknuddelt hier ankommen, verzweifeln wir auch.“
Sogar Joe Cockers Jeans und Socken hatte Jürgen Frickmann schon in der Maschine. Seit er vor einigen Jahren von einem Betreuer der Stars des Zeltfestivals angesprochen wurde, ob er in kurzer Zeit deren Wäsche waschen könne, komme der Mann immer wieder zu ihm. Am 27. August schaut sich Frickmann das Konzert von „Sunrise Avenue“ an. Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass er einen Tag später die verschwitzten Shirts der Finnen Samu, Sami, Raul und Riku in der Hand hat. Die große weite Welt in der Breite Straße.