Witten. . Eltern wehren sich gegen geplante Schließung der Kita am Hackertsbergweg. Einrichtung sei wichtig für den Stadtteil und der Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Annen zu weit

Die Wolken hängen tief über dem Schnee, der Sommer zeigt an diesem Sonntagmorgen seine kalte Schulter. Das Wetter passt zu der trüben Stimmung der Eltern, die mit ihren Kindern zur Kita am Hackertsbergweg gekommen sind. Sie alle bewegt eine große Sorge: Wenn der Kindergarten schließt, weil die Awo ein neues Gebäude an der Kreisstraße übernehmen will — was wird dann aus dem Schnee?

Fünf Jahre lang hat ihre Mutter — die frühere Leiterin der Awo Schnee — damals für einen Kindergarten in ihrem Stadtteil Klinken geputzt, erinnert sich Dr. Bärbel Bonnermann. 40 Jahre später steht die 72-Jährige vor dem freistehenden Haus aus dunklem Stein und führt den Kampf ihrer Mutter weiter: Die Kita mit dem wunderbaren Spielgarten dürfe nicht aufgegeben werden, sagt sie. Seit 50 Jahren sei sie Mitglied bei der Awo. Doch wenn der Kindergarten schließe, dann trete sie aus: „Das ist beschlossene Sache.“

Sauer sind auch die Eltern: „Einige Kinder, auch unter Dreijährige, gewöhnen sich jetzt gerade an die neue Umgebung. In einem Jahr fängt alles wieder von vorne an, wenn sie in eine neue Kita umziehen müssen“, ärgert sich Kristina Bornschier (36). Besonders schwer werde ihnen dann der Verlust der Bezugspersonen fallen. Nur eine der engagierten Erzieherinnen soll auch in der neuen Einrichtung eingesetzt werden, wollen die Eltern erfahren haben. „Es wird Mitarbeiter geben, die mitgehen und Mitarbeiter, die nicht mitgehen“ — so sagt es Awo-Bereichsleiterin Ulla Wacker.

Ihr tue es sehr leid, dass einige Eltern von den Umzugsplänen aus der Zeitung erfahren haben: „Das ist nicht unser Stil.“ Ziel der Awo sei es gewesen, nach den Ferien zu informieren, wenn alles entschieden sei. Denn einen Mietvertrag für das neue Haus gebe es noch nicht.

Die Eltern und Anwohner beruhigt das nicht. Über 60 von ihnen sind gekommen, um ihrem Ärger Lust zu machen. „Immer mehr Familien ziehen auf den Schnee“, sagt Kristina Bornschier. Sie hätten sich auch für diesen Stadtteil entschieden, weil es einen Kindergarten gebe. Denn wer keinen Führerschein habe wie die 32-jährige und hochschwangere Bezuneh Abonesh, schaue zukünftig in die Röhre. Die Busverbindungen nach Annen und Rüdinghausen seien schlecht. „Ich weiß nicht, was ich machen soll, wenn der Kindergarten schließt“, meint Abonesh. Ihre Tochter müsse wohl zu Hause bleiben.

Ein weiterer Kritikpunkt: Vier Gruppen soll die neue Kita haben, am Hackertsbergweg gibt’s die Igel- und die Mäusegruppe. „Wir fahren extra von Annen hierhin, weil der Kindergarten klein ist“, sagt Ellen Schreiber. Sie ist nicht die einzige, auch wenn die meisten Familien vom Schnee kämen, sagt Stefanie Askaoui. Und dieser Verankerung im Stadtteil sei es auch zu verdanken, dass die Kita so viele Partner vor Ort habe. „Das muss dann alles neu aufgebaut werden“, so Askaoui. Schließe die Kita, verschwinde der letzte Mittelpunkt auf dem Schnee.

Dass die Politik über die Pläne der Awo nicht informiert wurde, nennt Reinhard Goldbach (SPD) „ungewöhnlich“. Die Stadt habe die Aufgabe, für wohnortnahe Betreuung zu sorgen, „aber im Zweifelsfall ist diese Einrichtung nicht von der Awo abhängig“. Im Klartext: Sollte sich ein neuer Träger finden, könnten dort weiter Kinder betreut werden. Das könnte auch eine Elterninitiative sein.

Über dem Schnee reißt langsam der Himmel auf. „Kinder sind doch die Zukunft“, findet der kleine Jannis. „Zukunft findet aber nicht auf dem Schnee statt“, sagt ein Vater.