Wenn Hunde Mensch und Tier nicht gefährden, dürfen sie im Wald unangeleint laufen. Doch in Wittens Wäldern sind gerissene Rehe nicht selten

„Hunde dürfen auf Wittens Waldwegen schon seit einigen Jahren ohne Leine laufen. Aber nur, wenn sie auf Befehle ihrer Halter hören und nicht weiter in den Wald rennen“, erklärt Burkhard Overkamp vom Ordnungsamt. Doch ob alle Bellos so brav gehorchen, daran scheiden sich in dieser Stadt die Geister.

Hintergrund dieser Geschichte ist die Klage einer Hundebesitzerin gegen die Stadt Hilden, die einen Leinenzwang für den dortigen Stadtwald angeordnet hatte und damit beim Oberverwaltungsgericht Münster abgeblitzt war. Im Landesforstgesetz stehe nur, dass Hunde in Wäldern „außerhalb der Wege anzuleinen sind“, so die Begründung.

„Letztlich ist es eine Frage der Erziehung, ob ein Hund gehorcht“, meint Natalia Steinborn, die selbst einen Jack-Russell-Terrier hat und ihn auf dem Hohenstein spazieren führt. Die 27-Jährige weiß aber auch: „Mein Hund Spike hat Temperament. Deshalb nehme ich ihn an die Leine, wenn beim Spazierengehen viele Leute oder Rehe in der Nähe sind.“

Doch so vernünftig scheint nicht jeder zu sein: „Hier in Bommern hat es in den letzten Jahren mehrere Fälle gegeben, in denen Rehe von frei laufenden Hunden gerissen wurden“, erzählt Georg Frielinghaus, der dort Waldbesitzer ist. Die Halter seien aber schwer zu ermitteln, „weil sie sich nicht zu erkennen geben oder gar nicht mitbekommen, wenn ihr Hund, der in den Wald gelaufen ist und zurückkehrt, dort gewildert hat.“

Das gerissene Tier finde man dann meist erst, wenn es bereits verwest sei. Was Frielinghaus zudem ärgert: „Viele Hundehalter bleiben nicht auf den Wegen, sondern gehen quer durch den Wald und lassen ihre unangeleinten Tiere dort toben.“

Auch Burkhard Overkamp hat derzeit eine Anzeige aus Bommerholz auf dem Schreibtisch, wo ein Reh von Hunden gerissen wurde. Aber sonst kämen solche Meldungen so gut wie nie vor. „Nur vor drei, vier Jahren hatten wir einen Fall, in dem bei einem Waldspaziergang in Bommerholz ein Hund ein Rehkitz getötet hat. Die Halterin war untröstlich“, erinnert sich Overkamp.

Nach einer Begutachtung des Hundes durch einen Veterinär habe das Tier eine Schleppleine bekommen, an der es nur wenige Meter weit laufen könne, erzählt er. Und überhaupt gelte nach dem Landeshundegesetz: „Alle Hunde sind grundsätzlich auf Sportanlagen, Friedhöfen, Parkanlagen, in Fußgängerzonen und auf Massenveranstaltungen anzuleinen. Auf Kinderspielplätzen haben sie gar nichts zu suchen.“

Überhaupt seien große Hunde innerhalb bebauter Ortsteile anzuleinen. Groß bedeute über 40 Zentimeter Schulterhöhe oder 20 Kilo Gewicht. Wer sich nicht daran halte, dem drohen Strafen zwischen 100 und 200 Euro. Und im Extremfall des Wilderns könne ein Jäger das Tier auch erschießen.

Wenn ein Halter der Anleinpflicht nach vielfacher Aufforderung des Ordnungsamtes nicht nachkomme, könne ihm der Hund auch weggenommen und ans Tierheim gegeben werden. Overkamp: „Das hatten wir in den letzten Jahren in vier, fünf Fällen.“ Doch Schuld sei eigentlich nicht das Tier, sondern sein uneinsichtiger Besitzer. Froh ist der Mitarbeiter des Ordnungsamtes vor allem über eines: „Einen Beißfall, in dem ein Mensch lebensgefährlich verletzt wurde, hatten wir in Witten zum Glück bisher nie.“ An Fälle von leichteren Verletzungen bei Leuten durch Hunde kann er sich dagegen erinnern.

Doch auch hier könnte Vorbeugung helfen: „Wenn jemand Angst vor Hunden hat, leinen wir unseren an“, erzählt Barbara Seyler, die mit ihrem Labradormix häufiger durch die Wälder geht.

Zur Einsicht mahnt auch Evelyn Frielinghaus: „Die Rehkitze in den umliegenden Wäldern sind jetzt etwa drei bis vier Monate alt und noch nicht so erfahren, dass sie abhauen können, wenn ein Hund kommt. Für den sind sie damit leichte Beute.“