Witten. . Eine 87-jährige Witwe versucht seit Jahren die Urne ihres Mannes umzubetten. Doch die Friedhofsverwaltung will „Urnentourismus“ auf dem evangelischen Friedhof vermeiden. Obwohl die Frau eine Urnenkammer gepachtet hat, bleibt diese nun leer.
Zwischen dem Gräberfeld für Urnen und dem Kolumbarium auf dem evangelischen Friedhof an der Pferdebachstraße liegen nur wenige Meter. Diese Distanz scheint unüberwindbar für den Wunsch von Ursula Voigt (87) zu sein, die Urne mit den sterblichen Überresten ihres Mannes Karl-Heinz umbetten zu lassen. Doch der Friedhofsausschuss lehnt das Ansinnen der Witwe ab.
Hinter der Steintafel herrscht nur Leere
Vor rund zehn Jahren verstarb der Elektromaschinenbauer. Seine Ehefrau entschied sich für eine Urnenbestattung auf dem evangelischen Friedhof an der Pferdebachstraße. Als letzte Ruhestätte gab es zur damaligen Zeit ein Urnengräberfeld. Dort liegen die sterblichen Überreste unter einer schlichten Steintafel. Neu gebaut wurde außerdem ein Kolumbarium am Rande dieser Gräberfelder. Dies ist eine tiefe und breite Wand mit zahlreichen Kammern, die hinter ihren Steintafeln Platz für mehrere Urnen bieten.
„Nach dem Tod meines Mannes war ich derartig durcheinander, dass ich daran zunächst gar nicht gedacht habe“, erklärt die Witwe. Erst später kam bei ihr der Wunsch auf, dies als letzte Ruhestätte für ihren verstorbenen Gatten auszuwählen. Eine Umbettung, dachte Ursula Voigt, müsse doch möglich sein.
Sie schloss daher einen Nutzungsvertrag für eine Urnenkammer mit der Laufzeit von 30 Jahren ab. Das war vor vier Jahren. Seitdem prangt eine marmoreske Tafel an einem der Kolumbarien mit dem Familiennamen. Doch hinter der Steintafel herrscht nur Leere.
Trotz mehrerer Anträge an die Friedhofsverwaltung stieß die Witwe mit ihrem Vorhaben auf Widerstand. Die Urne blieb unter der Wiese. „Wir haben ihr von Anfang an gesagt, dass es schwierig wird“, erklärt Friedhofsverwalter Joachim Utke. Die Umbettung von Toten sei alles andere als ein alltäglicher Akt.
Generell gelte: Wer die Totenruhe stört, mache sich strafbar. Die einzige Möglichkeit, die Urne doch noch zu bewegen, wäre die Einstufung als Härtefall. Doch das für diese Entscheidung verantwortliche Gremium lehnte ein entsprechendes Gesuch der 87-Jährigen ab.
Der Friedhofsausschuss, der sich aus Mitgliedern der evangelischen Innenstadtgemeinden zusammensetzt, zeigte sich lediglich dazu bereit, die Urne von Karl-Heinz Voigt ins Kolumbarium zu versetzen, sollte Ursula sterben. Im Zuge einer Familienzusammenführung könne dies geschehen. Für die Witwe ein Hohn. „Da kam ich mir blöd vor“, sagt sie. „Ich kann nicht verstehen, dass mein Wunsch erst in Erfüllung geht, wenn ich fortgegangen bin.“
Verwaltung beruft sichauf Friedhofssatzung
Die Verwaltung beruft sich bei ihrer Entscheidung auf die Friedhofssatzung der ev. Landeskirche. Darin heißt es zwar, dass die Ruhe der Toten grundsätzlich nicht gestört werden darf. Doch sie lässt auch Ausnahmen zu.
„Die Auslegung ist den Kirchen vor Ort überlassen“, erklärt Andrea Rose, Pressesprecherin der Landeskirche. Und in Witten kamen die Mitglieder zum Entschluss, die Verordnung nicht aufzuweichen. Das Gremium will einen „Urnentourismus“ vermeiden. Friedhofsverwalter Joachim Utke verweist auf andere Fälle, in denen Angehörige die Friedhofsverwaltung immer wieder mit neuen Wünschen konfrontiert hätten.
Im Falle der Familie Voigt klingt „Urnentourismus“ wie der blanke Hohn. Die letzte Reise der sterblichen Überreste wäre lediglich fünf Meter lang gewesen.