Witten. Ein Brandopfer aus der Boltestraße wurde von der Senioren-WG aufgenommen. Für sie ein Glücksfall. Die freundlichen Menschen haben der Alleinstehenden weitergeholfen. Eine Freundschaft ist daraus entstanden.

Der Schock sitzt bei Rosemarie Lange noch tief. „Nachts werde ich wach und gucke unter der Decke hervor, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist“, sagt die Wittenerin. Als sie am frühen Morgen des 11. Juni durch lautes Klopfen und Rufen wach wird, kann es die 69-jährige Rentnerin kaum glauben, dass es brennt. Es sind die Feuerwehrleute, die geklopft haben und nun ihre Wohnungstür aufbrechen. Sie tragen die gehbehinderte Frau aus dem brennenden Haus. „Sehen Sie hier“, sagt sie und deutet auf ihren Oberarm. Dort, wo die Retter zugepackt haben, ist jetzt ein Bluterguss. „Ist aber nicht so schlimm“, meint die Seniorin. Das gehe schließlich wieder weg.

Ohne Dach über dem Kopf

Der Brand in der Boltestraße in Heven geht zum Glück glimpflich aus. Bis auf einige Bewohner, die Rauchverletzungen erleiden, wird niemand ernsthaft verletzt. Doch die Appartements sind ruiniert, vorerst nicht mehr bewohnbar. Das Zuhause wird für Rosemarie Lange unerreichbar. Für solche Fälle verfügt die Stadt Witten über Notunterkünfte. Unbürokratisch kommen Bürger in Notsituationen schnell wieder unter. Doch manchmal ist es für die in Not geratenen Menschen gar nicht so einfach, sich in einer ungewohnten Umgebung zurecht zu finden. Und so ergeht es der 69-Jährigen. Allein unter Männern fühlt sie sich unwohl.

Doch dies ändert sich grundlegend. Durch den Kontakt zur Caritas und der Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte lässt sich eine bessere Lösung finden: Die Bewohner der Senioren-Wohngemeinschaft in Bommern nehmen die Wohnungslose auf. Und sie empfangen die verunsicherte Frau mit offenen Armen. Bei ihrer Ankunft herrscht ausgelassene Stimmung. Die WG-Bewohner Hildegard Maas und Helmut Eichmann feiern ihre Geburtstage mit einer großen Party. 27 Gäste sind zur Fete gekommen. Die Feiernden musizieren, singen und klönen fröhlich miteinander – keine Zeit für trübselige Gedanken. „Auf Anhieb habe ich mich hier willkommen gefühlt“, sagt die Wittenerin rückblickend. Dazu beigetragen hat auch, dass die WG-Bewohnerinnen ihr mit Kleidung ausgeholfen haben.

Zwei Tage und Nächte verbringt Rosemarie Lange in der Senioren-WG. Im Gästezimmer bezieht sie ihr vorübergehendes Quartier. Hier zu leben, bedeutet für sie mehr, als nur ein Dach über den Kopf zu haben. Die Wittenerin ist Witwe. Kurz nach dem Tode ihres Mannes war auch noch ihre geliebte Katze aus dem Leben geschieden. „Ich hatte niemanden“, erklärt sie. Gespräche wären ihr wichtig, um das Erlebte mental verarbeiten zu können. Auch dabei helfen ihr die WG-Bewohner. Immer wieder erzählt sie ihnen von der schrecklichen Nacht. Doch manchmal hilft nur Ablenkung: Zusammen Nachrichten hören und lesen, Mensch-Ärgere-Dich-Nicht spielen - all das bereitet ihr viel Freude. „Die zwei Tage hier waren wie ein Urlaub für micht“, meint die Seniorin.

Neue Freunde

Inzwischen lebt Rosemarie Lange wieder in ihrer Wohnung in der Boltestraße. Heute ist sie zur Mittagszeit noch einmal zurückgekehrt in die WG. „Sie ist uns jederzeit willkommen“, sagen die Bewohner. Die 69-Jährige sagt: „Im Unglück hatte ich großes Glück.“