Die Stadt Witten kalkuliert mit 140.000 Euro mehr Aufwendungen für Asylbewerber. Hintergrund ist das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Ob der Bund für die Mehrkosten aufkommt, ist fraglich.
Pro Jahr müssen in Witten rund 140 000 Euro mehr für Asylbewerber ausgeschüttet werden. Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz spricht 77 Menschen in der Ruhrstadt pro Monat circa 111 Euro mehr zu. Sozialverbände wie die Caritas begrüßen dieses Urteil. Doch ob Witten die höheren Kosten erstattet bekommt, ist noch unklar.
Familien müssen eisern sparen
Michael Raddatz-Heinrichs vom Caritas-Verband Witten kennt als Flüchtlingsbetreuer die Schicksale der nach Asyl suchenden Menschen in Witten. Dass einige Asylbewerber nun mehr Geld bekommen, findet der Sozialarbeiter gerecht. „Gerade auch, wenn man bedenkt, dass der geltende Satz seit 1993 besteht“, meint der Flüchtlingsbetreuer. Pro Monat hatten erwachsene Einzelpersonen 224 Euro im Monat zur Verfügung. Für Kinder bis sieben Jahren gab es 133 Euro, ab 14 Jahren 199 Euro.
Nicht viel Geld für eine mehrköpfige Familie. Für Schulsachen oder eine Sportausrüstung blieb nicht viel übrig. „Zum Glück konnten die Mädchen und Jungen das Teilhabepaket nutzen“, sagt Raddatz. Das ermöglichte ihnen trotz schmalen Geldbeutels eine Mitgliedschaft, etwa in einem Sportverein.
Trotzdem hieß es für viele Flüchtlingsfamilien streng zu haushalten. „Die Mütter haben häufig preisgünstig gekocht“, berichtet der Sozialarbeiter. Einfache Reis- oder Nudelgerichte seien deswegen oft an der Tagesordnung gewesen. Nun verbessert sich ihre Lage. Anders, als in vielen anderen Städten, zahlt Witten seit 1997 den Asylbewerbern das Geld vollständig aus. In anderen Gemeinden und Städten bekommen die Menschen Lebensmittel- oder Warengutscheine. „Ungeeignet und diskriminierend“, nennt die Caritas eine solche Praxis. „Die Menschen können mit einem Budget viel besser ihren Haushalt führen“, sagt Raddatz. So könnten sie beispielsweise auf Sonderangebote der Supermärkte reagieren. Die 111 Euro mehr im Monat verschaffen den Flüchtlingen nun einen größeren finanziellen Spielraum. „Asylbewerber haben ein sofortiges Recht auf Leistungen, die zur Sicherung des Existenzminimums angemessen sind“, sagt Caritas-Geschäftsführer Hartmut Claes.
Zustimmung für die höheren Aufwendungen gibt es auch seitens der Stadtverwaltung. „Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Zahlungen in der Vergangenheit nicht korrekt sind“, sagt Sozialamtschef Rolf Cremer und ergänzt: „Dies akzeptieren wir.“
Bund soll höhere Ausgaben tragen
Der Sozialamtsleiter kalkuliert mit rund 140 000 Euro Mehrausgaben pro Jahr. Geld, das im Haushalt nicht eingeplant war, mit dem die Stadt aber in Vorleistung gehen wird. Cremer bezweifelt, dass Witten letztlich dafür geradestehen müsste. „Unserer Auffassung nach müsste der Bund diese Aufwendungen erstatten“, betont der Sozialamtsleiter. Doch noch ist nicht absehbar, ob Geld zurückfließt. „Der Richterspruch muss erst noch in geltendes Recht fließen“, erklärt der Sozialamtsleiter. Witten wendet für Asyl suchende Menschen pro Jahr 2,14 Millionen Euro auf. Lediglich 185 000 Euro erstattet der Bund der Stadtkasse.