Witten. .
„Wenn uns das auf den Kopf gefallen wäre, lägen wir jetzt im Krankenhaus.“ Ursula (83) und Rolf (92) Stenger blicken entsetzt zu ihrer Wohnungsdecke. Dort klafft ein großes Loch. Es ist wohl das jüngste Beispiel für die Schäden durch vorbeirauschende Fahrzeuge an der Billerbeckstraße.
Auf die Fahrbahn gegenüber der Rudolf-Steiner-Schule ist zwar eine große „30“ als Tempolimit aufgemalt. „Aber daran halten sich viele Fahrer nicht, besonders nach Schulschluss“, hat Stengers Nachbar Alfred Trippe aus Haus Nummer 25 beobachtet. Auch Schwerlaster, „manche von 43 Tonnen“, donnerten regelmäßig durch die Billerbeckstraße, obwohl das verboten sei, ärgert sich der Hevener. Durch die Unebenheiten der Fahrbahndecke wirkt die wie eine Art Sprungschanze. Bumm-bumm, so kracht und rappelt es, wenn schwere Wagen vorbeirumpeln.
„Aber besonders schlimm sind die Gelenkbusse. Wenn die hier rauf- und runterfahren, liege ich auf meinem Sofa wie auf einem Trampolin“, erzählt der 73-Jährige, der manchmal fürchtet, dass ihm die „Fenster entgegenfallen“. Bis zu achtmal in der Stunde, je viermal bergan und bergab, komme die Linie 320 vorbei, „von frühmorgens ab vier bis nachts um halb eins“. Alfred Trippes Ehefrau Hildegard ergänzt, dass die Erschütterungen sich durch die Wohnung, ja durchs ganze Haus fortsetzen würden.
„Der Mieter im Dachgeschoss hat uns erzählt, dass bei ihm das Geschirr im Schrank klirrt, wenn die Busse vorbeifahren“, bestätigt Rolf Stenger aus Haus Nummer 27. Die Stengers sind noch „fix und fertig“, nachdem ihnen fast die eigene Decke auf den Kopf gefallen wäre. Zum Glück saß zu diesem Zeitpunkt am frühen Nachmittag niemand am Tisch des Esszimmers. „Ich war beim Mittagsschlaf, habe einen Knall gehört und gedacht, das sei draußen“, erinnert sich Rolf Stenger. Seine Frau, die auf der Terrasse saß, war geschockt, als sie hereinkam und das Ausmaß des Schadens entdeckte.
„Deckenplatten, Putz und Mörtel lagen auf dem Boden, überall war Staub. Wir mussten das ganze Zimmer ausräumen und haben zwei Eimer Schutt aufgesammelt“, erinnert sich die 83-Jährige. Die Versicherung werde den Schaden nicht übernehmen, den das Ehepaar in Kürze beheben lassen will und der sich nach Expertenschätzung auf etwa 4000 Euro beläuft. Denn aus Sicherheitsgründen muss die gesamte Esszimmerdecke erneuert werden.
Wie viele Wittener Straßen sei auch die Billerbeck in keinem guten Zustand, räumt Stadtsprecherin Lena Kücük ein. „Aber sie ist als verkehrssicher eingestuft und steht damit auf der Prioritätenliste, was Erneuerungen angeht, weit hinter Wittens Hauptverkehrsstraßen“, erklärt sie nach Rücksprache mit dem Tiefbauamt. Die Stadt habe auch schon Gespräche mit der Bogestra geführt, ob die auf der Billerbeckstraße statt Gelenk- nicht vorrangig einfache Busse einsetzen könne. Das sei aufgrund der hohen Auslastung der Strecke jedoch nicht möglich, habe die Antwort gelautet.
Einen ganzen Ordner füllt der Schriftverkehr eines weiteren Billerbeck-Anwohners mit der Stadt. Man habe ihn von Amt zu Amt verwiesen. Bis heute sei an der Straße außer Flickwerk nichts passiert, erzählt der Wittener, der unbekannt bleiben will. Seine große Aufregung begann Ende 2009, in dem Jahr, als die Gelenkbusse erstmals dort eingesetzt worden seien. „Meine damals 14-jährige Tochter saß in der Badewanne, als das Abschlussholz der Deckenverkleidung runterfiel und knapp neben ihr auf dem Wannenrand einschlug“. Bis heute habe die Erschütterung der Straße zu vielen Schäden wie Risse an seinem Haus geführt: „Wir haben hier täglich Hunderte von Erdbeben.“ Inzwischen hat er einen Anwalt eingeschaltet und wird die Stadt verklagen. Was ihn besonders ärgert: „Die Stadt war bis heute zu keinem Ortstermin bereit.“