Witten. .
Gleich zwei runde Geburtstage feierte die SoVD-Lebenshilfe Witten an diesem Wochenende.
Seit genau 40 Jahren gibt es die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) an der Dortmunder Straße, gegründet 1972 als „Reichsbund-Lebenshilfe GmbH für berufliche Bildung Behinderter, Werkstatt für Behinderte in Witten“.
Den zehnten Geburtstag begeht in diesem Jahr die Abteilung IDL (Industrie-Dienstleistungen), ein Bereich der Werkstatt, der den Bedürfnissen psychisch erkrankter Menschen Rechnung trägt.
Zwei gute Gründe also für eine Rück- und Vorschau in feierlichem Rahmen. Rund 120 geladene Gäste hatten sich im Pflanzraum der SoVD-Lebenshilfe eingefunden, darunter Vertreter der großen Parteien, Ehrenamtliche, Förderer, Vorstandsmitglieder, Mitarbeiter und natürlich die behinderten Menschen selbst. Horst Stürz, Uwe Fladrich, Udo Schickentanz und Barbara Finkensiep eröffneten als Beschäftigte der „ersten Stunde“ gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Lebenshilfe, Dr. Dieter König, und Peter Michel, Leiter des Begleitenden Dienstes der Hauptwerkstatt, die Feierstunde und nahmen voller Stolz die Urkunden für ihre 40-jährige Tätigkeit in der WfbM entgegen.
Nach einem kurzen Grußwort der stellvertretenden Bürgermeisterin der Stadt Witten, Beate Gronau, eröffnete Prof. Dr. Günther Boheim, Vorstandsvorsitzender der Lebenshilfe Witten, den Reigen der Redner. Nach einem Rückblick auf die Geschichte der Werkstatt und der Würdigung des ersten Geschäftsführers Arthur Raillon, „ohne den es die Werkstatt heute nicht gäbe“, fand er persönliche Worte des Dankes für Mitarbeiter und Beschäftigte der Werkstatt. Boheim, selbst Vater einer schwerstbehinderten erwachsenen Tochter, versäumte es aber auch nicht, einen kritischen Blick auf das allgegenwärtige Thema „Inklusion“ zu werfen: „Wir wollen auch die Menschen nicht vergessen, die die hohen Ansprüche, die die Inklusion an sie stellt, nicht erfüllen können.“
Auch die anderen Redner griffen das Thema Inklusion vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention auf. Adolf Bauer, Präsident des SoVD Deutschland, unterstrich den Grundgedanken, der hinter dem viel strapazierten Begriff steht, machte aber unmissverständlich klar, dass das Existenzrecht der Werkstätten für behinderte Menschen in keiner Weise angezweifelt werden dürfe, solange der erste Arbeitsmarkt nicht auf die Bedürfnisse der betroffenen Menschen zugeschnitten sei, womit in absehbarer Zeit sicher nicht zu rechnen sei.
In eine ähnliche Richtung gingen die Worte des Vorsitzenden der Bundesvereinigung Lebenshilfe, Robert Antretter: „Der Weg der Lebenshilfe ist gepflastert mit Visionen. Wir stehen voll hinter der Idee der Inklusion, die viele Chancen bietet. Behinderte Menschen können vieles allein, aber bei den Dinge, die sie nicht können, werden wir ihnen immer zur Seite stehen!“ Kritische Worte fand er für den wachsenden „Perfektionswahn“ innerhalb der Gesellschaft, der dafür sorge, dass der „unperfekte Mensch zunehmend der Geringschätzung der Gesellschaft ausgesetzt sei.“
Während Dr. Ralf Brauksiepe, parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, ausgleichende Worte fand, wurde Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales, deutlicher: „Akzeptanz und Zugang zur Gesellschaft hängen unmittelbar von der Arbeit ab!“ In seiner Rede verteidigte der Minister leidenschaftlich die Bedeutung der Inklusion und kündigte bereits für Anfang Juli einen Kabinettsbeschluss zum Inklusionsplan der Landesregierung an. Er verdeutlichte aber auch, dass dies nicht die Abschaffung von Einrichtungen wie den Werkstätten bedeuten könne und man bei diesem Thema einen langen Atem brauche: „Wir können nicht auf Knopfdruck Mentalitäten ändern. Was wir brauchen, ist Barrierefreiheit in den Köpfen!“
Für die Untermalung der von allen Rednern unterstrichenen wichtigen Rolle, die behinderte Menschen nicht nur im Arbeitsleben, sondern in allen Bereichen des Alltags und der Kultur spielen, sorgte die „Kämpen-Band“, die aus Schülern und Lehrern der Kämpenschule (Förderschule für den EN-Kreis) besteht. Zu Recht bekam die Band am Ende der Feierstunde stehende Ovationen.