Witten. .
Im Job-Center liegen noch immer über 15 000 Altvorgänge, die nicht bearbeitet sind. Leiterin Anke England hofft auf Unterstützung durch zusätzliche Kräfte zum 1. Juli, will aber realistisch bleiben: „Bis zum Jahresende bekommen wir den Stau nicht abgebaut.“
Dabei sind derzeit sieben Stellen im Job-Center unbesetzt, denn das Problem, das Anke England hat, ist ein strukturelles. „Es ist schwierig, Personal zu rekrutieren“, seufzt sie. „Wir haben durchgehend Vakanzen.“ Denn wer mit SGB-II-Anträgen und Verwaltungsvorschriften hantiert, muss dazu gut ausgebildet sein. Für eine Arbeit sind deshalb qualifizierte Leute mit einer Verwaltungsausbildung II oder Juristen nötig. Denen bietet das Job-Center eine auf ein Jahr befristete Stelle, die höchstens um ein weiteres Jahr verlängert werden kann. Nicht besonders attraktive Bedingungen für Leute mit einer hohen Qualifikation.
Auch nicht besonders attraktiv für Leute von außerhalb. Anke England: „Bewerbungen von außerhalb haben wir so gut wie gar nicht. Denn wer zieht schon für eine auf ein bis zwei Jahre befristete Stelle um?“ Hinzu komme eine „riesige Fluktuation“, denn wer weiß, dass die Stelle in allerspätestens zwei Jahren ausläuft, sieht sich rechtzeitig nach etwas Besserem um. „Über 30 Prozent des eingearbeiteten Fachpersonals haben wir seit dem 1. März 2011 verloren“, sagt Anke England. Rund 40 Personen, Teilzeitkräfte eingerechnet, arbeiten derzeit im Job-Center.
Im Augenblick sind fünf reguläre Stellen im Job-Center unbesetzt; dem Fünfer-Team, das die 15 000 Altvorgänge abarbeiten soll, fehlen weitere zwei Leute. „Die sollten schon zum 1. März da sein. Jetzt sind sie für die nächsten Einstellungen zum 1. Juli avisiert.“ Diese Leute müssen aber zunächst eingearbeitet werden. „Die Einarbeitungszeit beläuft sich auf ungefähr ein Jahr, bis jemand selbstständig mit SGB-II-Anträgen umgehen kann“, weiß Anke England. „Dann ist die Befristung schon fast abgelaufen. Wird sie verlängert, dann kann Der- oder Diejenige gerade noch ein Jahr gute Arbeit leisten, dann läuft der Arbeitsvertrag aus.“
„Viele gute Leute bewerben sich erst gar nicht“
Für Wittens neuen Ratsherrn Dieter Güthoff (Linke) ein unhaltbarer Zustand: „Es werden immer wieder neue Leute mühevoll eingearbeitet, während die Verträge mit qualifizierten, gut ausgebildeten Leuten nicht verlängert werden. Das ist doch kontraproduktiv.“ Die Stellen seien auch deshalb nicht attraktiv, „weil ein Jurist, der nach einem Jahr nicht genommen wird, einfach ,verbrannt’ ist. Deshalb bewerben sich viele gute Leute erst gar nicht.“
Aus denen, deren Verträge ausgelaufen sind, könne der für die Einstellungen zuständige EN-Kreis eine Art Fachkräfte-Pool bilden, regt Güthoff an, der auch im Kreistag sitzt. „Und wenn es gesetzliche Probleme gibt, dann muss eine Ausnahmeregelung her.“ Wichtig bleibe schließlich, dass die Hartz-IV-Anträge auch von qualifizierten Personen bearbeitet würden - und das möglichst zügig.
„Die Rückstände ziehen eine hohe Beschwerdezahl nach sich“, räumt Anke England ein. „Und die Leute haben ja auch Recht. Wir bemühen uns nach Kräften und setzen Prioritäten. Kunden in einer besonders schweren sozialen Lage kommen als erste dran.“