Witten. . Rund ums Institut für Waldorf-Pädagogik bietet sich Besuchern ein riesiges Erfahrungsfeld in der Natur.

Lila und grün, dazwischen ein paar gelbe Butterblumen – so leuchtet die Natur derzeit rund um das Institut für Waldorfpädagogik. Und ein paar Tage oder Wochen später zeigt sie sich schon wieder in einem anderen Gewand. Wie das aussieht können Schulklassen, Familien, Senioren und Gruppen aller Art selbst erleben. „Erfahrungsfeld Annener Berg“ heißt das Sommerprogramm zur Entfaltung der Sinne und des Denkens.

Fünf Absolventinnen und Studentinnen des Instituts haben das Angebot zusammengestellt: Lisa Dick, Christine Koolmann, Heike Korfmann, Rebecca Leclaire und Lena Zipperle wollen Jung und Alt durch den Park, über Wiesen und Weiden, durch den Gemüse- oder Kräutergarten führen. An diesem Vormittag bieten Lena (32), die ehemalige Studentin, und Rebecca (21), die bald ihre Lehre in der Gärtnerei beginnt, bei schönstem Frühlingswetter einen kleinen Vorgeschmack für alle Sinne.

Was gibt es zu sehen? Wie riecht es hier? Was kann man hören? Einfach mal ein paar Schritte gehen und die Natur auf sich wirken lassen – so beginnt die Runde am Parkplatz des Instituts. Wir sehen Bäume, Büsche, Wiesen in sattem Grün. Dazwischen ein paar zarte Blüten – Akeleien („die find’ ich so schön“, schwärmt Lena) und solche, die wir gerade nicht mit Namen kennen.

Der Weg führt in den Wald, der vor rund 100 Jahren mal als Park angelegt worden war. Mittendrin wachsen deshalb dicke Rhododendren. Neu ist der selbst gebaute Behälter mit den Tüten, in denen Hundebesitzer die Hinterlassenschaften ihrer Lieblinge sammeln und in den darunter hängenden Blecheimer entsorgen können. „Das ist ein umgedrehter Briefkasten“, erklärt Marion Körner, Verwaltungsleiterin und Sprecherin des Instituts, die den Spaziergang begleitet.

Kurzer Halt auf einer kleinen Lichtung. „Hier konnte man früher bis zum Helenenberg sehen“, sagt Lena Zipperle. Heute sehen wir hohe Eschen, Buchen, Nadelbäume und eine alte Kirsche. Es ist angenehm kühl. Insekten schwirren durchs Sonnenlicht. Es riecht nach frischer Luft. Der Wind lässt die Blätter rauschen. Vögel zwitschern um die Wette. Idylle pur, die nur der Lärm stört, der von der Dortmunder Straße und den Autobahnen 44 und 45 hier rüberweht.

Doch den blenden wir einfach aus, schnuppern lieber an ein paar würzigen Bärlauchblättern, ertasten die verschiedenen Rindenstrukturen der Bäume, laufen durch ein altes Steinlabyrinth, beobachten Ameisen oder lassen uns mit geschlossenen Augen von einem Partner führen.

„Es gibt hier so viel zu erleben und zu sehen, wenn man sich ein bisschen Zeit lässt“, sagt Rebecca Leclaire. Vor allem aber gehe es darum zu erfahren: Was geschieht in dieser bestimmten Jahreszeit und bei diesem bestimmten Wetter. Hätte es heute geregnet, dann hätte der Wald sicher ganz anders geduftet. Allein deshalb, sagt Lena, „ist jede Führung einmalig“. Die Teilnehmer können sich auch Rundgänge zu verschiedenen Themen aussuchen: von der Wild- zur Kulturpflanze, Feuer-Asche-Kohle oder Begegnungen mit der Tierwelt. Speziell an Senioren richtet sich zum Beispiel das Angebot immer mittwochs ab 10 Uhr. Dann können sie sich am Annener Berg an die Düfte ihrer Kindheit erinnern.

Die Augen sind immer noch zu. Plötzlich wird es stockdunkel und kühl. Ein modriger Geruch umfängt uns. Doch wir sind nicht etwa in einer Höhle, sondern nur in einem alten Kartoffelkeller gelandet – und froh, gleich wieder den blauen Himmel sehen zu können. An diese kleine Wanderung werde ich noch ein Weilchen denken – nicht nur wegen der Brennnessel, die unterwegs mein Gesicht gestreift hat.