Witten. .

Zwischen Freud und Leid, Witten ein Tag nach der Landtagswahl.

Bei Rot-Grün hatte es niemand eilig, nach Hause zu kommen. Schinkenbrote und Frikadellen schmeckten und die Zahlen erst recht. Die Piraten feierten ihr tolles Abschneiden in Dortmund, die FDP ließ sich in kleiner Besetzung im Ratskeller blicken. Wundenlecken bei der CDU, die Linke war vorübergehend abgetaucht.

Selten wurde eine Partei so abgestraft wie die Union, historisch auch ihre Verluste in Witten. Der tapfere Jungkandidat Simon Nowack (27) blieb über 25 Punkte hinter Thomas Stotko (45) von der SPD, der mit 46,2 Prozent (Ergebnis Witten) zum dritten Mal direkt in den Landtag einzieht. Stotko verbesserte sich gegenüber 2010 um 2,4 Punkte. Anders als viele Parteifreunde im Ruhrgebiet blieb er von der „50“ zwar noch deutlich entfernt. Das trübte die große Freude am Wahlabend aber nicht im Geringsten. „Der neue Politikstil“, sagte der SPD-Stadtverbandsvorsitzende mit Blick auf Hannelores Kraft (50), „kommt an.“ Auch die Basis ist zurück.

Selten sah man Jung- und Altgenossen so fröhlich vereint wie am Wahlabend. Eine, die man noch zum politischen Nachwuchs zählen darf, ist Patricia Podolski (28), Beisitzerin im Stadtverbandsvorstand. Sie sieht in dem guten Abschneiden ihrer Partei eine „Bestätigung für die letzten 20 Monate. Die Menschen wollen, dass die gute Politik fortgesetzt wird. Was versprochen wurde, wurde gehalten: Abschaffung der Studiengebühren, Stärkung der Kommunen, Präventionspolitik bei Kindern und Jugendlichen“.

Mit Hannelore Kraft sei es gelungen, viele Ältere zurückzuholen, ist Marlies Valerios (67) überzeugt, Seniorenbeauftragte des SPD-Ortsvereins Hüllberg. Mit der alten und neuen Ministerpräsidentin verbinden Kommunalpolitiker die Hoffnung auf bessere Zeiten für überschuldete Städte wie Witten. „Wir erwarten, dass sie die Kommunen weiter stärkt“, erklären SPD-Fraktionschef Thomas Richter (55) und Bürgermeisterin Leidemann (52).

Weiter für Witten will sich der gescheiterte CDU-Landtagskandidat und Ratsherr Simon Nowack engagieren. Innerhalb des Stadtverbandes gibt es offenbar keine gegenseitigen Schuldzuweisungen. Alle machen den Spitzenkandidaten Norbert Röttgen für die Wahlpleite verantwortlich, auch Parteichef Ulrich Oberste-Padtberg (45). „Das Resultat in NRW ist hausgemacht, es gab keinen negativen Bundestrend.“

Wie sehr die Union abgestürzt ist, zeigt ein Blick in einzelne Wahlbezirke. Mancherorts stimmten nicht mehr als elf oder zwölf Prozent für sie. Die CDU verlor in allen Stadtteilen, ob im roten Annen oder im eher konservativen Bommern. „Dass sie so absackt, ist der Hammer“, meint SPD-Ratsherr Christoph Malz (44) aus Bommern. Noch bei der Kommunalwahl „waren wir quasi pari“. Und nun das: Im Wahllokal Rigeikenhof entschieden sich fast 40 Prozent für die SPD, die CDU kam auf 22. An der Harkortschule in Stockum wählten 14,8 Prozent schwarz. Grüne wurden hier mit 16,6 Prozent zweitstärkste Partei.

Piraten und FDP sind weitere Gewinner. Mancherorts fuhren die Piraten wie in der kath. Kirche St. Joseph zwölf Prozent ein. Liberale wie Fraktionsgeschäftsführer Peter Heinen (57) sehen in der Hervorherbung des Gymnasiums einen Grund für den Erfolg ihrer Partei. Die Linke wurde überall abgestraft, sie flog aus dem Landtag. Spitzenkandidatin Katharina Schwabedissen (39) aus Witten musste am Montag zur Vorstandssitzung nach Berlin. Rote Rosen gab’s aber nur bei der SPD.