Witten. . Bei Helmut Lattemann (68) kommt Obst und Gemüse aus dem eigenen Kleingarten auf den Teller. Nun eröffnet er die Kartoffelsaison.
Helmut Lattemann krempelt die Ärmel seines blaugestreiften Hemds hoch. Der 100-Kilo-Mann mit Sinn für Erbsen und Edelrosen ist wie der Kirschbaum in seinem Garten: kernig und kräftig. „Die Kartoffelsaison kann beginnen“, ruft der 68-Jährige und reckt seine Hake in die Höhe.
In die Löcher in der Erde legt Helmut Lattemann kleine Erdäpfel. „Sorte Atica, eine Festkochende“, stellt er klar. Und was ist mit Tomaten? „Um Gottes Willen!“ Der Kleingärtner schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. „Kartoffeln und Tomaten – das ist Gift“, weiß er. „Es gibt Pflanzen, die vertragen sich, und welche, die vertragen sich nicht.“ Petersilie und Tomaten würden prächtig miteinander auskommen. Merke: Auf Beet zwei lieber keine Tomaten.
Dafür liegen zwischen den Kartoffeln umso mehr winzige blaue Kugeln, sogenanntes Schneckenkorn. „Man muss den Biestern den Kampf ansagen.“ Eigentlich verträgt sich der 68-Jährige mit der Hake in der Hand mit so gut wie jedem. Außer mit Schnecken, Kaninchen und Frost – den drei Erzrivalen eines jeden Kleingärtners. Immerhin: „Wenn’s zu kalt wird, kommt ein Vliestuch übers Beet.“ Bei Helmut Lattemann gibt es zwischen Möhren und Kohlrabi keinen Aberglauben. Das sind 28 Jahre Kleingärtner-Erfahrung.
1984 verliebte sich der gelernte Maschinenbauer in sein Reich in der Gartenanlage an der Goethestraße. „Bei schönem Wetter stehe ich ab neun am Beet.“ Inzwischen weiß der Wittener, dass Kopfsalat eher dran ist als Tomaten und Gurken mehr Dünger brauchen als Bohnen. „Früher hab ich über den Zaun gelugt und beim Nachbarn abgeguckt“, verrät er spitz. Die erste Jahresbilanz kann sich sehen lassen.
Der 68-Jährige öffnet einen Frühbeetkasten und zeigt auf das sprießende Grün. „Das ist Schleifenkraut. Das pflanze ich zwischen meine Rosen und Tulpen.“ Daneben wächst langsam der nächste Kopfsalat heran. Den ersten gibt’s schon in 14 Tagen. „Dann ist auch mein Rhabarber fertig“. Sagt er und lächelt zufrieden.
Die grün-roten Stangen wachsen auf Beet eins. Drei Beete stehen für Obst und Gemüse bereit – für die Sorten, die sich jeweils miteinander vertragen. Helmut Lattemann gräbt ein Loch für ein langes weißes Band. „Darin sind kleine Saatkörner.“ Erbsen? Kopfschütteln. „Kopfsalat.“ In Reihe zwei gibt’s Radieschen, dann Möhren, Mangold, blauen Kohlrabi. Alles wächst hier in Reih und Glied. „Gartenarbeit ist eine Wissenschaft für sich.“ Von wegen nur Unkraut zupfen und Samen streuen. Helmut Lattemann geht in seine kleine Laube und holt seine Kleingärtner-Ausrüstung.
Ein Messgerät für den richtigen PH-Wert der Erde und mehrere Bücher über Pilze und Parasiten. „Pflanzen haben wohl mehr Krankheiten als der Mensch!“ Auch im eigenen Garten muss sich der Obst- und Gemüse-Fan mit einem Quälgeist herumschlagen: Monilia.
Monilia ist ein Pilz und hat es auf den Sauerkirschbaum von Helmut Lattemann abgesehen. Braun sichtbar hat er sich durch die Äste geschlichen. Am anderen Ende steht ein anderes Sorgenkind: Ein gesunder Apfelbaum, an dem partout keine Äpfel wachsen wollen. Das nennt man dann wohl Kleingärtner-Schicksal.
Davon will sich der 68-Jährige nicht die gute Stimmung vermiesen lassen. Bald lande ja sein Lieblingsessen wieder auf dem Teller, sagt er und reibt sich den Bauch. „Kartoffeln mit Kopfsalat und Spiegelei.“ Klar doch: aus dem eigenen Garten. Bis auf das Ei, versteht sich.
INFO
Helmut Lattemann ist Fachberater für Kleingartenwesen beim Bezirksverband Witten. Von 1990 bis 2002 war er Vorsitzender des Annener „Kleingärtnervereins Gemeinwohl e.V.“ Der Verein an der Goethestraße hat rund 100 Mitglieder und 53 Gärten. 300 bis 350 Euro kostet die Pacht eines Grundstücks inklusive Versicherung, Strom und Wasser. Junge Eltern werden bei der Neuvergabe von Gärten bevorzugt.