Witten. . Die Werkstatt für behinderte Menschen wird 40 Jahre alt. Ein großes Fest für die Lebenshilfe an der Dortmunder Straße. Wir statteten der Gärtnerei und der Kfz-Pflege einen Besuch ab.

Bunte Luftballons säumten in dieser Woche den Weg von der Einfahrt der Lebenshilfe an der Dortmunder Straße bis zur Gärtnerei, die ganz hinten auf dem Gelände ihren Platz hat. Die Werkstatt für behinderte Menschen wird 40 Jahre alt. Doch bevor das im Sommer offiziell gefeiert wird, starteten die Dienstleister mit einer kleinen Aktionswoche ins Jubiläum.

Die Dienstleister der Lebenshilfe – dazu zählen die Gärtnerei, der Garten- und Landschaftsbau sowie die Kfz-Pflege, die erst seit einem guten halben Jahr zum Werkstattbereich gehört. Hier arbeiten vorwiegend psychisch kranke Menschen. Und während in der Kfz-Pflege Autos auf Hochglanz gebracht werden, bereiten die Mitarbeiterinnen im Gewächshaus die Pflanzen auf den Frühling vor.

Zwei von ihnen sind Susanne Carl und Gundula Schwarz. Sie topfen gerade Hornveilchen ein, machen aber sonst vom Aussäen bis zum Fegen alles, was so anfällt in der Gärtnerei. „Ich liebe diese Arbeit hier“, sagt Gundula Schwarz, „die Erde gibt mir Halt“. Den benötigt die 53-Jährige dringend. Denn alles Unvorhergesehene beschert ihr Panikattacken. Dann beginnt sie zu schwitzen, zittern, weinen. „Inzwischen laufe ich aber nicht mehr weg, sondern hole mir Hilfe“, sagt sie und lächelt stolz über diesen kleinen Erfolg.

Ihre Offenheit beeindruckt. Für Gundula Schwarz ist sie selbstverständlich: „Man darf sich doch nicht schämen, wenn man hier arbeitet.“ Ihre psychischen Probleme begannen nicht erst, als die alleinerziehende Mutter, die in München einen Getränkemarkt leitete, den Job verlor. Aber da hatte sie ihren ersten Zusammenbruch, auf den mehrere Klinikaufenthalte folgten.

Ganz langsam begann sie wieder Fuß zu fassen, als eine Bekannte sie nach Witten holte und Gundula Schwarz diverse Einrichtungen schriftlich um Hilfe bat. „Telefonieren ging nicht“, erklärt sie. Gemeldet habe sich nur Viadukt, der Wittener Verein zur psycho-sozialen Förderung. Über Umwege gelangte Gundula Schwarz schließlich zur Lebenshilfe, wo sie in der Gärtnerei zunächst ein Praktikum absolvierte und seit über einem Jahr einen Platz in der Reha hat. Inzwischen, sagt sie froh, sei das ihr zweites Zuhause. „Hier habe ich keine Angst.“

Genau wie Gundula Schwarz lebt Susanne Carl in Herbede. Die beiden Frauen fahren jeden Morgen gemeinsam zur Arbeit, die von 8.15 bis 15.40 Uhr dauert. Ein Vollzeitjob ist das, für den es einen Grundlohn ab 73 Euro pro Monat gibt. Im Durchschnitt verdienen die Menschen 250 bis 300 Euro. „Wenn’s gut läuft, können das auch bis zu 400 Euro sein“, sagt Heike Guthardt (41). Aber, so die Sozialarbeiterin im Bereich für psychisch kranke Menschen, „die Leute brauchen immer eine Grundsicherung“.

Trotzdem ist Susanne Carl froh, „nicht komplett vom Staat abhängig zu sein“. Die 30-Jährige ist seit Januar 2006 hier. „Ich war in meinem Beruf für den ersten Arbeitsmarkt nicht schnell genug“, erzählt die Floristin. Ständig stand sie unter Druck, die Arbeit schaffen zu müssen. „Doch das gelang mir nicht.“ Sie machte Fehler, der Druck wuchs – bis die Krankheit ausbrach. Bei der Lebenshilfe habe sie neues Selbstbewusstsein gewonnen, „weil ich hier in meinem Tempo arbeiten kann“.

Drüben in der Halle der Kfz-Pflege wienern Peter Stein-Cadenbach (35), der gelernte Installateur, und Martin Schlöter (29), der vorher mit Grafikdesign zu tun hatte, ein Auto nach dem anderen. Beide sind in ihrem ersten Jahr und werden deshalb nach dem neuen Reha-Modell verschiedene Werkstattbereiche ausprobieren, bevor sie ihren Schwerpunkt gefunden haben. „Es geht nicht mehr nur darum, den Menschen eine Tagesstruktur zu geben, sondern ihnen berufliche Bildung zu ermöglichen“, erklärt Sozialarbeiterin Guthardt.

Bald werden sich die jungen Männer hoffentlich so wohl fühlen wie die beiden Frauen in der Gärtnerei. „Das hier ist“, sagt Susanne Carl, „der Job, den ich bisher am längsten behalten habe“.