Witten. .

In den 60er Jahren kamen die Thyssenarbeiter zum Feierabendbierchen vorbei, in den 80ern galt sie als absolute In-Kneipe und mittlerweile hat sie Kultstatus erreicht - die Kneipe „Alte Post“ an der unteren Bahnhofstraße.

Seit 1961 ist das Lokal in der Hand von Thorsten Wottrichs Familie. Vor sechs Jahren übernahm der 44-Jährige die Alte Post von seinem Vater, gearbeitet hat er hier aber schon mit 26 Jahren als Aushilfe hinter der Theke. Der Besitzer, der bei Gästen und Freunden nur als „Toto“ bekannt ist, begrüßt jeden Besucher persönlich, die meisten mit Namen. Schließlich kennt man sich. „Ich schaue schon automatisch zur Tür, wenn sie sich öffnet. Nicht nur aus freundlichen Gründen, sondern auch, um aufzupassen, dass kein Gast einfach abhaut, ohne zu bezahlen“, erklärt der Wirt.

Am Wochenende ist jeder Sitz- und Stehplatz in der Ur-Kneipe belegt. An manchen Tagen sei es sogar so voll, dass die Gäste draußen vor der Tür ständen, so Wottrich. Das sei natürlich vor allem im Sommer der Fall.

In der Kneipe hat sich in den vergangenen 50 Jahren nicht viel verändert. Wenn man hinein kommt, ist man direkt an der Theke, links stehen einige Tische, ein großer Flachbildschirm hängt an der Wand. Rechts fällt ein Podest mit Tischen und Stühlen auf. Und schaut man weiter um die Ecke, sieht man noch einen Fernseher sowie einen Darts-Automaten, der direkt vor den Toiletten aufgebaut ist. Jeder, der den Weg dorthin wagt, muss sich vor tief fliegenden Pfeilen in Acht nehmen.

In den 90er Jahren hatte sich Totos Vater alleine an eine Renovierung der Kneipe gemacht. Damals entstand die heutige Vertäfelung aus Eiche. „Klar, ich könnte alles abschleifen lassen und moderner einrichten. Aber das möchte ich nicht. Denn so kennt man schließlich die Post“, meint der Gastwirt.

Mit Würfelbechern ausgestattet, spielen die 24-Jährigen Tobias, Gerrit, Fabian gemeinsam mit Kellner Chris Baulig (19) an ihrem Stammplatz ein Trinkspiel. Nach seiner Schicht gesellt sich der künftige Bundeswehrsoldat zu den Gästen. „Hier kennt jeder jeden. Da ist das ganz normal“, meint der 19-Jährige. Fabian und seinen Freunden gefällt vor allem das gute Preis-Leistungs-Verhältnis sowie die altmodische Atmosphäre. „Wo sonst bekommt man heute noch ein Bier für zwei Euro?“, so die einhellige Meinung.

Die Kellnerinnen Johanna (21) und Nicole (20), zwei von zwölf Mitarbeitern, sind hinter der Theke in ihrem Element. Cocktails, Bier oder Cola, alles, was der Gast wünscht, wird serviert. Da ist es auch nicht schlimm, wenn einmal der Orangensaft verwechselt wird und der Campari nach Banane schmeckt. „Wir sind ein gutes Team, wie eine Familie. Nur darf niemand den Bogen überspannen und zum Beispiel den Gast unzufrieden machen. Dann kann ich auch einmal böse werden“, sagt Thorsten Wottrich. Das komme aber so gut wie nie vor.

Besonders viel Arbeit haben die Mitarbeiter der Alten Post an Bundesligaspieltagen. Das heißt, jeden Samstagnachmittag treffen sich Fans der Dortmunder, Schalker und Bayern zum Fußballschauen. Fangesänge für den eigenen Verein sind erwünscht.

Nur, wenn Lieder gegen den anderen Verein angestimmt werden, greift Thorsten Wottrich ein: „Da trete ich demjenigen auch vor das Schienbein. Schließlich wollen alle Fußball gucken und keine Schlägerei beobachten.“