Witten. .
Nach der Verurteilung des Jugendwarts der Tischtennisabteilung wegen Kinderpornografie steht der Eisenbahner Turn- und Sportverein (ETSV) unter Schock.
Wo man auch hinhört bei der Tischtennisabteilung des ETSV Witten: Niemand kann es fassen, dass der langjährige Mädchenbetreuer und seit 2011 als erster Jugendwart amtierende 44-Jährige offenbar ein Doppelleben geführt hat - hier der überall beliebte Vereinsmensch, da der Kriminelle, der tausende Kinderpornos im Internet herunterlud, auf DVD’s brannte und via Tauschbörse feilbot.
„Was?“ Der junge Mann, der an diesem Abend in der kleinen Sporthalle des Albert-Martmöller-Gymnasiums trainiert, kann es kaum glauben, was sich der 44-Jährige zu Schulden kommen ließ und wofür ihn das Amtsgericht jetzt zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilte. Der habe doch so viel für den Verein getan.
Auch die älteren Mitglieder, der Vorstand - alle sind fassungslos. Man kennt den Sportkameraden seit über 20 Jahren, er hat Turniere organisiert, den Fahrdienst geplant, Kinder und Jugendliche selbst kreuz und quer durchs Ruhrgebiet gefahren, Sommerfreizeiten vorbereitet. „Die Kinder haben ihn geliebt“, sagt einer aus dem Vorstand. „Er hat alles für sie getan, war immer bemüht, viel anzubieten.“
Offenbar gelang es dem gelernten Erzieher, der seit langem als Sandstrahler und Lackierer arbeitet, seine perverse Leidenschaft gut zu vertuschen. Niemand im Verein habe etwas gewusst, heißt es. Weder von der Razzia im Juli letzten Jahres, als Fahnder in der Wohnung des Alleinstehenden über 10 000 Dateien mit kinderpornografischen Inhalten fanden, noch von einer Razzia im Mai, als 1664 Filme und Videos sichergestellt und der 44-Jährige erstmals zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt wurde.
Auf den Videos sind Mädchen zu sehen, die zum Sex mit Männern gezwungen werden, teils gefesselt, manche erst zehn Jahre alt, andere fünf, sogar Säuglinge sind darunter. Dieser Mann kümmerte sich 15 bis 18 Jahre lang um die Kinder und Jugendlichen im Verein. Er selbst war zwar kein aktiver Spieler, aber oft in der Halle. „Am Montagabend haben wir noch eine Mail von ihm bekommen, dass ein Spiel verlegt wurde“, sagt einer.
Die bange Frage, die sich viele Eltern jetzt stellen könnten: Ist es womöglich jemals zu Übergriffen gekommen? Jahrelang hat der Mann Mädchen durch die Gegend chauffiert, Kinder zwischen zwölf und 17, die liebevoll von „unserem Kutscher“ sprachen. Sie seien immer gern mit ihm gefahren, sagt eine Jugendbetreuerin, die auch Trainerin und Geschäftsführerin ist. Sie ist überzeugt davon, dass der 44-Jährige nie ein Mädchen oder einen Jungen aus dem Verein unsittlich angefasst hat. Wenn sich die Kinder umgezogen hätten, sei er oft zum Rauchen vor die Tür gegangen. „Wenn irgendwas vorgefallen wäre, wären die Kinder doch nicht mehr gekommen.“
In den letzten drei bis vier Jahren, als kaum noch Mädchen im Verein aktiv waren, kümmerte sich der 44-Jährige hauptsächlich um die zwei Schülerteams und die eine Jungenmannschaft, in denen nur Jungs spielen, die jüngsten neun, die ältesten 17 Jahre alt. Noch am Sonntag, als man bei einem Turnier Kaffee und Kuchen verkaufte, habe er sich absolut nichts von dem bevorstehenden Prozess anmerken lassen, sagt die Geschäftsführerin. „Er hat bestimmt gedacht, er kriegt Bewährung.“
Der Vorstand hat den Jugendwart mit „sofortiger Wirkung von allen Aufgaben bis auf Weiteres freigestellt“. Mit den Eltern wolle man jetzt die weitere Vorgehensweise gegenüber den Kindern abstimmen, sagt der Abteilungsleier Tischtennis. Es soll einen Elternbrief und einen Info-Abend geben. Das Vorstandsmitglied ist genauso geschockt wie alle anderen. Seine eigenen Söhne (10/12) waren in der Obhut des Vereinskollegen mit den zwei Gesichtern.