Witten. .
Jannis (6) friert nicht. Er trägt eine warme Jacke, Fellmütze, Schal und dicke Stiefel. Trotzdem beherzigt er notgedrungen den Tipp seiner Mama, die mit ihm über die Bahnhofstraße eilt: „Bei der eisigen Kälte hilft nur eins – einfach schneller laufen.“
Joachim Syllwasschy läuft nicht, er steht. Stundenlang harrt der 74-Jährige am Kemnader See aus. Er wartet auf eine Kanadagans, die er hier regelmäßig trifft. „Die habe ich groß gezogen und dann hier ausgesetzt.“ Heute kommt sie nicht, wahrscheinlich ist ihr zu kalt. Wie all den anderen, die sonst in Scharen um den See joggen und radeln: „Ich verstehe nicht, dass die Leute bei so schönem Wetter nicht rausgehen“, sagt Syllwasschy.
Auch Thomas Bodang (42), stellvertretender Leiter des Betriebsamtes, freut sich übers Wetter – aus einem anderen Grund. Im Gegensatz zum Schnee macht seinen Leuten der Frost nicht so viel Arbeit. „Am Mittwoch war anderthalb Stunden ein großer Streuwagen im Einsatz, weil Wasser aus einem Bach auf die Stoltenbergstraße geflossen war und dort Glatteis verursacht hatte.“ Ansonsten seien die Straßen trocken, überfrierende Nässe sei bislang kein Thema. „Ich habe bei mir im Garten eine Luftfeuchtigkeit von 25 Prozent gemessen. Das ist extrem niedrig“, so Bodang.
Zwei Probleme macht der Mann vom Betriebsamt in diesen Tagen aus: Die Abfälle in Biotonnen frieren fest. Die Behälter können deshalb nicht ganz geleert werden. Ehe sich Bürger beschweren: „Laut Satzung ist der Nutzer selbst dafür verantwortlich, den Abfall von der Tonne zu lösen.“ Zweites Problem: Die Kehrmaschinen fahren nicht – weil sie mit Wasser kehren.
Stillstand auch an so mancher Baustelle. „Die Kanalarbeiten an der Wetterstraße sowie an Süd- und Nordstraße sind zum Teil eingestellt“, erklärt Rainer Gerlach (49) von der Entwässerung Stadt Witten (ESW). Mit Beton und Mauerwerk zu arbeiten sei jetzt unmöglich. Auch die Maschinen könnten zu viel Frost nicht ab. „Ich gehe davon aus, dass auch die Arbeiten an der Ardeystraße heute Abend eingestellt werden“, so Gerlach gestern Nachmittag.“
„Noch sind alle Schulen warm, alle Rohre heil“, sagt Thomas Struwe (47), als Leiter der Werkstatt zuständig für die öffentlichen Gebäude der Stadt. Aber, gibt er zu bedenken, „wir sind am Limit“.