Witten. .

Nächtliches Geschrei, Schläge gegen Türen, demolierte Autos: Ein 69-jähriger Stockumer versetzte vier Nachbarn so lange in Angst und Schrecken, bis sie auszogen. Sie waren Mitglieder des iranischen Geheimdienstes. Auftrag: Mord.

Jedenfalls dachte das der ängstliche Rentner, selbst Iraner. Er muss sich jetzt vor dem Bochumer Landgericht verantworten. Weil er zwei „Agenten“ verprügelte. Er habe sich gegen die „bewaffneten Spione“ verteidigen müssen, sagte der Angeklagte, dem ein Gutachter Verfolgungswahn attestiert. Sogar vor Gericht fühlte sich der 69-Jährige nicht sicher: „Ihr Terroristen!“, schimpfte er in die Runde. Seinen Anwalt hält er für einen iranischen Agenten. Was passiert, wenn der Wittener jemanden dem iranischen Geheimdienst zuschreibt, schilderte ein betroffenes Ehepaar.

„Er war mit einem Schlagstock bewaffnet auf mich zugestürmt“, sagte die 37-jährige Frau. Zweimal habe ihr wild gewordener Nachbar zugeschlagen. „Mein Mann konnte sich gerade noch schützend dazwischen stellen. Seitdem lebten wir in Todesangst.“ Das war im September 2010.Dabei fing alles normal an.

1978 war der 69-Jährige aus dem Iran nach Witten gekommen. Er arbeitete auf einem Bauernhof, fiel nie auf. Vor zwölf Jahren habe der Terror in der Leibreddestraße angefangen, so der Mann der 37-Jährigen. „Mit einem Stock verfolgte er Hunde, Kinder, schlug gegen Türen.“ Das ging so lange, bis zwei Nachbarn das Weite suchten. Dann war das Ehepaar an der Reihe. Immer wieder forderte der Angeklagte die beiden auf, „die Geräte auszuschalten“. „Er dachte, wir wären vom iranischen Geheimdienst“, so die Frau. Den Stock-Angriffen folgten weitere Psychoattacken sowie nächtliches Geschrei und das Demolieren von Autos. „Es war der reinste Terror. Ich traute mich nicht mehr vor die Tür“, sagte die 37-Jährige.

Vor kurzem seien sie und ihr Mann (42) in einen anderen Stadtteil umgezogen. Warum ausgerechnet das polnische Paar als iranisches Agenten-Duo arbeiten soll – der ängstliche Nachbar konnte es vor Gericht nicht schlüssig erklären. Klar war nur für ihn: Die Spione sind überall. Weil er einer religiösen Minderheit angehöre, verfolgten sie ihn. Deshalb habe er sich eine Schlagstocksammlung angelegt. „Sie wollen mich töten.“