Witten/Herne. . Der kleine Finn wurde in der 23. Woche geboren. Seine Chancen auf eine gesunde Entwicklung lagen bei 20 Prozent. Nun hat er sein Gewicht verdreifacht. Ein Besuch
Der Moment, als Finn die Welt erblickte: Für Yvonne Janicki fühlte sich das an wie „zwischen allem und nichts“.
In den frühen Morgenstunden des 18. November 2011, als klar war, dass Yvonne Janicki ihren Finn kaum noch länger im Bauch halten kann, als die Wehen trotz Schmerzmitteln unerträglich wurden, als die Hebamme schon Finns Füßchen in der Hand hatte, der Moment, als Finn viel zu früh ins Leben wollte – da hatte die 33-Jährige bereits eine Tortur hinter sich. Bauchschmerzen erst, dann Blutungen, die nicht sein sollten, schon gar nicht in der 23. Woche: Sie setzte sich ins Auto und fuhr zu ihrer Frauenärztin. „Sofort ins Krankenhaus“ , entschied die.
Im Wittener Marien-Hospital dann die Nachricht: „Sie sind in einem kritischen Zustand, es kann sein, dass wir Ihr Kind holen müssen.“ Ein Satz wie ein Schlag ins Gesicht - denn in diesem frühen Schwangerschaftsstadium liegen die Chancen für ein Neugeborenes, gesund zu überleben, bei 20 Prozent. „Wir wollten Finn diese Chance geben“, beschreibt Vater Werner Janicki (37) die Stunde der Entscheidung. Finn, das ersehnte Kind, nach drei Fehlgeburten, endlich. „Wir wollten ihn unbedingt“, sagt Yvonne. Und dann war das Bündel da. Etwas mehr als 600 Gramm, Finger wie Streichhölzer, Haut wie Pergament. Angst? „War da“, nickt Werner Janicki. „Aber auch Stolz, dass er es geschafft hat.“
Das größte Problem für die Ärzte im Wittener Marien-Hospital: die Lungen. „Wir mussten Finn drei Tage lang beatmen“, erklärt Chefarzt Jan-Claudius Becker. Das schaffte Finn. Und die ersten vier Wochen, „das sind die kritischsten“, sagt Becker. Die schaffte Finn auch. Und dann der Tag, als Yvonne sich ihren Finn das erste Mal auf den Bauch legen konnte. „Ich habe gespürt, wie sich sein Herzschlag beruhigt. Plötzlich hörten die Apparate auf zu piepen. Da hat auch meine Angst aufgehört.“
Vater Werner kämpft mit der Ohnmacht, zu Hause, im Büro. „Finn ist morgens mein erster Gedanke.“ Per Webcam können die Janickis ihren Sohn rund um die Uhr sehen. Trotzdem fahren sie jeden Tag von Herne nach Witten ins Krankenhaus, 40 Kilometer hin, 40 Kilometer zurück, „natürlich“, sagen sie. „Finn ist das Wichtigste in unserem Leben.“
Inzwischen hat der kleine Junge sein Geburtsgewicht fast verdreifacht, „gestern hat er zum ersten Mal getrunken“, erzählt Yvonne. Wie man mit dem Winzling umgeht, ihn wäscht und wickelt, „das haben uns die Schwestern gezeigt. Das hat uns Sicherheit gegeben“, sagt Vater Werner. „Inzwischen ist Finn für uns ja schon groß. Alle, die neu hierher kommen, staunen, wie winzig er ist. Aber am Anfang war er ja noch viel winziger.“
Wie es mit Finn weitergeht? „Er ist in einem sehr guten Zustand“, sagt Chefarzt Becker. „Er hat sich ins Leben gekämpft. Seine Eltern haben gekämpft.“ Yvonne und Werner wollen nur eins: „Finn endlich mit nach Hause nehmen.“