Witten. . Seit 2003 wurden immer mehr Zehn- bis 20-Jährige wegen akutem Alkoholmissbrauch behandelt.
Die Zahl junger Komatrinker im Ennepe-Ruhr-Kreis ist gestiegen. Das zeigt eine Studie der DAK zum Thema Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen für das Jahr 2010. 121 Zehn- bis 20-Jährige mussten laut Krankenkasse in dieser Zeit wegen akutem Alkoholmissbrauch im Krankenhaus behandelt werden.
Im direkten Vergleich zum Jahr 2009 sind es zwar nur vier Jugendliche mehr. Jedoch lässt sich eine deutlichere Entwicklung erkennen, je weiter man zurückgeht. Von 2003 bis 2010 ist die Zahl der Komatrinker allein in der besagten Altersklasse um 181,4 Prozent gestiegen. Hochgerechnet auf 100 000 Jugendliche bedeutet das, dass im Jahr 2010 354 von ihnen einen Vollrausch erlebten, der im Krankenhaus endete. Im NRW-Vergleich liegt der EN-Kreis damit im oberen Drittel. Spitzenreiter ist Hamm. Dort waren es 572 Zehn- bis 20-Jährige.
Ballung an den Wochenenden
In Witten ist das Problem junger Komasäufer bekannt. „Mindestens jede zweite Woche werden Jugendliche wegen Alkoholmissbrauchs eingeliefert“, erklärt Mario Iasevoli (47), Chefarzt der Inneren Abteilung und Intensivstation am Evangelischen Krankenhaus. Fast alle Fälle ereignen sich an den Wochenenden oder zu bestimmten Anlässen wie einem Stadtfest. Diese Beobachtung hat auch Dilek Aydin (40) gemacht, Oberärztin der Kinderklinik am Marien-Hospital: „Zu bestimmten Zeiten wie dem Abitur behandeln wir häufiger stark alkoholisierte Jugendliche.“
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Im Vorjahr landeten 33 Kinder und Jugendliche, die jünger als 19 Jahre alt waren, wegen Alkoholmissbrauchs im Marien-Hospital. Der jüngste Patient von Dilek Aydin war gerade mal zwölf. Er hatte einen „ordentlichen Promillepegel“. Der Durchschnitt im Marien-Hospital liegt bei 1,5 Promille. Doch es seien auch schon Jugendliche mit einem Wert über zwei eingeliefert worden. Oftmals haben die Betroffenen zuvor „harte Sachen“ wie Wodka oder Jägermeister getrunken, so Aydin.
Trend zum Hochprozentigen
Diesen Trend hin zu hochprozentigen Alkoholika hat auch Frank Bannasch (47) von der Sucht- und Drogenhilfe der Diakonie Mark-Ruhr festgestellt. „Wenn Jugendliche Alkohol trinken, geht dies mittlerweile immer einher mit Schnaps.“ Bannasch ist einer der Leiter der Beratungsgruppe für Jugendliche. Ihm sei aufgefallen, dass die Teilnehmer immer häufiger die Symptome von „Filmrissen“ beschrieben und teilweise gar nicht mehr wüssten, was über mehrere Stunden passiert sei.
Zudem verharmlosten viele von ihnen ihren Umgang mit Alkohol. „Bei unseren Treffen erzählen sie mit einer Selbstverständlichkeit, dass sie alleine eine dreiviertel Flasche Wodka an einem Abend getrunken haben.“ Hinzu komme, dass Jugendliche immer häufiger Amphetamine zu sich nähmen, um ihre Alkoholverträglichkeit zu steigern.
Konsumtagebuch für Gruppenberatung
Um den jungen Teilnehmern ihr Verhalten zu verdeutlichen, müssen sie während der Beratungszeit ein Konsumtagebuch führen. Darin halten sie fest, was, wie viel und zu welcher Gelegenheit sie getrunken haben. Zusätzlich gibt es Termine mit Experten von auswärts, die etwa zum Thema Straffälligkeit und Entgiftung informieren.
Die Beratungsgruppe der Diakonie können Jugendliche zwar freiwillig aufsuchen, aber das kommt selten vor. „Die meisten von ihnen sind auffällig geworden und werden etwa von der Jugendgerichtshilfe, der Arbeitsagentur, von Schulen oder den eigenen Eltern geschickt“, so Bannasch. „Sie haben dann schon häufig eine Trinkbiografie von drei bis vier Jahren hinter sich.“