Witten. .

Ein umstrittener Privatkredit, Ferien in den Villen reicher Freunde und Drohungen gegen Journalisten, während er öffentlich über Pressefreiheit doziert. Die Liste der Verfehlungen des Staatsoberhauptes wird immer länger.

Und doch stehen noch immer erstaunlich viele Wittener hinter Bundespräsident Christian Wulff (CDU), wie eine nicht repräsentative Umfrage unserer Zeitung ergab.

So wie die 18-jährige Hannah Kalisch, die Wulffs Versuch, den Artikel der Bild-Zeitung über sein Privat-Darlehen mit einem Drohanruf zu verhindern, nachvollziehen kann. „Ich würde auch nicht wollen, dass so etwas von mir öffentlich wird“, sagt Hannah. Zudem ist sie der Meinung, dass dieser Wirbel nicht gemacht werden würde, wenn es sich um eine andere Person handelte. „Das Ganze wird meiner Meinung nach übertrieben in die Medien gezogen. Wulff ist doch auch nur ein Mensch.“ Das findet auch Michael Karmierski.

„Man sollte den Bundespräsidenten einfach in Ruhe lassen“, sagt der 45-Jährige. Fehler seien schließlich menschlich. Und Anian Schmitt (25) ist sich sicher, dass viele Menschen die Möglichkeit, einen Kredit günstiger zu bekommen, ebenfalls genutzt hätten. „Er hätte von Anfang an offener mit dem Thema umgehen sollen“, so Schmitt. „Menschen verzeihen nämlich vieles, wenn man ihnen gegenüber ehrlich ist.“

Allein Olga Köhn (62) regt sich bei dem Thema ein wenig auf. Ihrer Meinung nach sollten Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten vorher überprüft werden, um solche Entdeckungen im Nachhinein zu vermeiden. Zudem „hat er mit dem Anruf nicht richtig gehandelt. Gerade als Staatsoberhaupt“.

„Christian Wulff hat sich äußerst ungeschickt im Umgang mit den Medien verhalten“, findet auch Wittens CDU-Fraktionschef Klaus Noske (56). „Er sollte zügig mit offenen Karten spielen und dafür eine Chance bekommen, dass das Thema irgendwann beendet ist“, meint Noske.

„Es hat uns irritiert, dass bisher keine öffentliche Stellungnahme von Christian Wulff kam, gerade nach den Bild-Vorfällen“, sagt CDU-Ratsmitglied und -Pressesprecher Tobias Grunwald. „Wenn da was dran ist, sind das schon harte Vorwürfe“, meint der 27-Jährige. Es gehe weniger darum, ob Wulff von der CDU oder einer anderen Partei sei, „als um die Frage, ob man sich das als Bundespräsident erlauben darf“, so Grunwald. Auch er fordert: „Wulff sollte die Vorfälle auf jeden Fall zügig aufklären.“

Dass durch dessen Drohanruf bei Bild die Pressefreiheit elementar angegriffen worden sei, glaubt CDU-Ratsmitglied Simon Nowack (27) nicht: „Denn sie ist in Deutschland zum Glück doch sehr geschützt.“ Viel besser als etwa in Frankreich, so der 27-Jährige, wo Skandale und Angriffe auf die Pressefreiheit „in einer ganz anderen Liga spielen“. Ein Rücktritt Wulffs aus diesem Grund sei für ihn kein Thema, erklärt Nowack, der auch zu bedenken gibt „ob die Leute nicht manchmal zur Hysterie neigen“. Er ergänzt mit Blick auf Wulffs Privatkredit: „Die Ansprüche an Politiker dürfen nicht so hoch sein, dass sie keine privaten Freunde mehr haben dürfen. Denn dann ist es kein Wunder, dass wir in der Kommunalpolitik keine Leute mehr finden.“