Witten. .

Der Philosoph Richard David Precht fordert soziale Pflichtjahre für Schulabgänger und Rentner. Nina Pfitzner (17) und Florian Guttowsky (18) absolvieren gerade ein soziales Jahr im Awo Seniorenzentrum an der Egge – allerdings nicht gezwungenermaßen, sondern als Bundesfreiwilligendienstler.

Darüber ist Karsten Olmes vom Sozialen Dienst des Hauses mehr als froh. Denn der letzte Zivildienstleistende habe am 30. April seine Arbeit im Seniorenheim beendet. „Und es ist doof, wenn keiner da ist“, sagt Olmes. Denn dann müsste das, was die Zivis sonst erledigt haben, auf die Hauptamtlichen verteilt werden.

„Wir hatten immer Zivis“, erinnert sich Karsten Olmes. Doch schon in den letzten Jahren seien die schwer zu kriegen gewesen. „Und wenn, dann war deren Anwesenheit leider nur auf ein halbes Jahr begrenzt. Bis die sich hier in dem großen Haus auskannten, war die Zeit schon fast vorbei.“ Auch für die 178 Bewohner in den vier Wohnbereichen sei es besser, dass der Bundesfreiwilligendienst ein Jahr dauert – so müssen sie sich nicht schon wieder von Nina Pfitzner und Florian Guttowsky verabschieden, wenn sie sich gerade an sie gewöhnt haben.

„Dauert das lange?“, hatte Nina vor unserem Gespräch gefragt. Denn die ehemalige Holzkampschülerin saß auf heißen Kohlen: Einige Bewohner warteten darauf, zum Gottesdienst abgeholt zu werden. Nina hat bereits ein Praktikum im Awo-Seniorenzentrum hinter sich. Für sie ist schon lange sonnenklar: „Ich möchte Altenpflegerin werden. Denn wenn wir selber alt sind, wollen wir ja auch gut betreut werden.“ Weil sie die Ausbildung aber erst mit 18 beginnen kann, überbrückt sie die Zeit sinnvoll mit dem freiwilligen Jahr. Seit einem Monat ist sie hier. „Ich spiele mit den Bewohnern, lese ihnen vor oder reiche ihnen Essen an.“ Die Menschen seien sehr dankbar – für jede Kleinigkeit, hat Nina festgestellt.

Florian, ebenfalls von der Holzkamp-Gesamtschule, wollte eigentlich Restaurantfachmann werden, befand den Job aber während eines Praktikums für zu langweilig. Deshalb entschied er sich erst mal für den Bundesfreiwilligendienst und hat sich direkt im Altenheim beworben. Seit dreieinhalb Monaten greift er nun vor allem dem Hausmeister unter die Arme, erledigt kleinere Handwerksarbeiten oder bereitet alles für den Filmnachmittag vor.

Karsten Olmes, der selbst mal Zivi war, ist erleichtert, denn er weiß inzwischen: „Ich kann auf beide bauen. Die arbeiten schon sehr selbstständig.“ Für die Arbeit müsse man ein gewisses Gespür haben, bestätigt auch Sebastian Kampfert aus der Verwaltung der Awo-Einrichtung. Immerhin seien über 60 Prozent der Bewohner von Demenz betroffen.

Nina und Florian, die sind längst schon wieder im Haus unterwegs und haben einige Bewohner inzwischen per Rollstuhl oder Rollator von ihren Zimmern nach unten zum Gottesdienst begleitet.