Witten. . In Annen brennt der Baum, und das einen guten Monat vor Heiligabend. Gruppen, die bisher das evangelische Gemeindehaus nutzen, sind entsetzt über den feststehenden Verkauf und Abriss.

Geradezu dramatisch beginnt ein offener Brief, den der Seniorenclub, der CVJM und andere Gruppen der evangelischen Gemeinde verfasst haben: „Heimlich, still und leise bahnt sich eine Katastrophe im Herzen von Annen an.“ Nach 143 Jahren soll das Gemeindehaus an der Märkischen Straße/Ecke Hamburgstraße verkauft und abgerissen werden. Gerade Senioren seien betroffen.

Für viele sei das Gemeindehaus wie ein zweites Zuhause. Vor allem stellt sich den Verfassern des Offenen Briefs die Frage, wo künftig Gemeindegruppen, CVJM und Seniorenclub eine Bleibe finden sollen. Mit dem Abbruch gehe die Geselligkeit der Gruppen verloren und die Perspektive für die Zukunft. Befürchtet wird zudem eine „soziale und kulturelle Verödung des Herzens von Annen“.

Den Verantwortlichen wird vorgeworfen, nicht andere Optionen zu nutzen, etwa die gelegentliche Vermietung von Räumen an andere soziale Gruppen und Vereine. Was den verfügbaren Wohnraum angeht, hätten regelmäßige Mieter etwa unter Studenten gefunden werden können. Stattdessen würden die sechs vorhandenen Wohnungen seit über drei Jahren nicht mehr vermietet und für den Verkauf freigehalten. Von Anfang an habe es nur das Verkaufsmodell gegeben, obwohl die Basis 2006 schon eine andere Option zum Erhalt des Gemeindehauses ins Spiel gebracht habe. „Sind die Gemeindemitglieder nur Weisungsempfänger, um den Sperrmüll rauszustellen?“ lautet das empörte Fazit der Verfasser.

Pfarrer Claus Humbert kann den Unmut verstehen. Die Gemeinde könne sich das Haus aber nicht mehr leisten, erklärt er angesichts sinkender Steuereinnahmen. größte Posten seien die laufenden Kosten, die er mit über 20 000 Euro pro Jahr beziffert. Hinzu komme ein „Riesensanierungsstau“ von mindestens einer halben Million Euro.

Es gibt aber auch noch eine andere Wahrheit: Die Gemeinde muss die Erlöserkirche renovieren - und will somit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Der Erlös von rund 200 000 Euro aus dem Verkauf des Gemeindezentrums an einen Investor, der generationengerechte Wohnungen und einen neuen Kindergarten bauen will, soll in das Gotteshaus investiert werden. Dort will man gleichzeitig einen laut Humbert „guten Teil“ der Gruppen unterbringen, die im Januar aus dem Gemeindehaus ausziehen müssen.

Insgesamt werden für den Umbau der Kirche 400 000 Euro veranschlagt. In der Übergangszeit - die Kirche wird frühestens in zwei, drei Jahren fertig - bittet die evangelische Gemeinde um Amtshilfe bei der Konkurrenz. „Die Katholiken haben uns ein umfassendes Ersatzangebot gemacht“, erklärt Humbert. Vielleicht probt der ev. Kirchenchor demnächst im Gemeindehaus von St. Joseph.