Witten. .

„Rund 15 Prozent der Deutschen, aber auch der Europäer insgesamt haben laut Statistik nach wie vor antisemitische Vorurteile. Schon deshalb ist es wichtig, das Thema immer wieder zu behandeln“, sagt Carsten Linz, Geschichtslehrer am Ruhr-Gymnasium.

Dort und am nahe gelegenen Mahnmal der Judenverfolgung wurde am Mittwochabend an die Reichspogromnacht erinnert. Das war jene Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, in der Nationalsozialisten überall in Deutschland jüdische Gotteshäuser und Geschäfte zerstörten.

Auch in Witten: Denn gegenüber dem Ruhr-Gymnasium, an der Ecke Synagogenstraße/Breite Straße, stand einst ein solches jüdisches Gotteshaus. Daran erinnert das Denkmal, an dem gestern Abend eine Mahnwache und eine Kranzniederlegung stattfanden. Dazu aufgerufen hatten wie in jedem Jahr die Stadt Witten, die Deutsch-Israelische Gesellschaft Witten und der Freundeskreis der Israelfahrer. Erst recht erschütternd wirkt das damalige Niederbrennen der Wittener Synagoge, wenn man die Inschrift auf der stählernen Gedenkplatte liest. Denn dort wird beschrieben, mit welchem Stolz die jüdischen Mitbürger erfüllt waren, als sie Jahrzehnte zuvor ihr Gotteshaus errichteten.

Welch beeindruckende Ausmaße die Synagoge hatte, belegt auch die Ausstellung im Ruhr-Gymnasium. Leider wird sie in den kommenden Tagen schon wieder abgebaut. Die Schau, die in einer Etage unterhalb der Aula eingerichtet wurde, besteht eigentlich aus zwei Abschnitten. Der eine Teil wurde vom Stadtarchiv ausgeliehen. Darin wird das Schicksal von Wittener Juden und deren Familien anhand von Berichten, Briefen und Fotos geschildert.

Der andere Teil der Ausstellung wurde von den Schülern erstellt. „Sie ist eine Mischung aus jüdischer Lokalgeschichte und deutscher Landesgeschichte“, erklärt Geschichtslehrer Carsten Linz. Sein Kollege Andreas Lackner ergänzt: „Die Schülerausstellung ist ständig im Wandel. Denn darin fließen auch neue Unterrichtsergebnisse ein.“

So wird in einer Abteilung der Ausstellung dargestellt, dass Judenverfolgung nicht erst mit den Nationalsozialisten begann, sondern beispielsweise schon im 14. Jahrhundert stattfand. Ein anderes Kapitel widmet sich dem Begriff „Reichskristallnacht“, der häufig für die Reichspogromnacht verwendet wird. In der Ausstellung ist zu lesen: „Reichskristallnacht - dies ist eine zynisch verharmlosende Bezeichung der NS-Propaganda für das großangelegte Pogrom, gerichtet gegen die jüdischen Mitbürger.“

Um diese Stimmungsmache der Nazi-Schergen zu durchschauen, sahen und diskutierten die Schüler jetzt auch „Jud Süß“, den berüchtigten Hetzfilm der Nazis, sowie Oskar Roehlers Kinowerk „Jud Süß - Film ohne Gewissen“ von 2010, das dessen Entstehung kritisch beleuchtet. Auch eine Zeitzeugin, die den Holocaust überlebt hat, berichtete den Schülern gestern von ihren schrecklichen Erlebnissen.