Eine Studie der Uni Witten/Herdecke betrachtet erstmals das Leben mit der Blasenschwäche. Sie ist kein rein medizinisches Problem.

Fünf Millionen Menschen in Deutschland leiden an Problemen mit der Blasenentleerung – in jungen Jahren trifft es meist Frauen, später im Leben gleicht sich das Risiko zwischen den Geschlechtern an. Doch obwohl so viele Menschen betroffen sind, bleibt das Leiden ein Tabu und das Sprechen darüber fällt schwer: Grund für Daniela Hayder vom Institut für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke das Gespräch mit Betroffenen zu suchen und mit einer ersten Studie nach Erfahrungen und Wünschen der Patienten zu fragen.

47 Tiefeninterviews führte Hayder – mit dem Ergebnis, dass die Blasenschwäche kein rein medizinisches Problem ist. Die Betroffenen erleben einen Kontrollverlust über ihren Körper, sie trauen sich nicht mehr in die Stadt, ins Kino oder zu Konzerten, weil sie nicht wissen, ob sie schnell genug eine Toilette finden. „Mit Auftreten der Inkontinenz ordnen die Betroffenen ihr Leben der Blase unter und ziehen sich zurück”, fasst Hayder zusammen. Daher kann eine rein medizinische Sicht auf die Erkrankung auch keine umfassende Hilfe sein: „Wer dauernd Angst haben muss, unkontrolliert Urin zu verlieren, der hat auch dauernd Angst, dass Sitznachbarn in der Straßenbahn etwas riechen, das Arbeitskollegen das mitbekommen, dass sie schlicht ausgegrenzt werden. Das ist demütigend und kann zu psychischen Problemen führen”, schildert Hayder die Erfahrungen der Interviewten.

Während der Interviews durften die Befragten auch Wünsche zur Behandlung und Beratung äußern. Dabei zeigte sich, dass sie sich von den Ärzten noch mehr Aufklärung über Behandlungsmethoden wünschen, aber darüber hinaus Ansprechpartner für eine Beratung zum Leben mit der Inkontinenz fehlen. „Blasentraining oder Beckenbodentraining sind schön und gut. Aber das braucht Unterstützung, Anleitung und Motivation, die nicht jeder von sich aus aufbringt”, sagt Hayder. „Da wünschen sich die Befragten Hilfe. Und Beratungsangebote, die vertrauensvoll angelegt sind. Beratung bei Tabu-Themen braucht Vertrauen. Die Betroffenen sollen ihr Leben leben können.”