Witten. .

Ein umfassendes Programm zur Gesunderhaltung pflegender Angehöriger hat jetzt Prof. Dr. Angelika Zegelin vom Department für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke erstellt und wissenschaftlich begleitet.

Es entstand im Auftrag der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen. Und zwar in den Modellstädten Dortmund und Solingen in Zusammenarbeit mit Pflegediensten, Beratungsstellen, Arztpraxen, Apotheken, den Städten und Kirchen sowie anderen an der Pflege beteiligten Ansprechpartnern.

„Viele Menschen rutschen in so eine Pflege ja mehr oder weniger unvermittelt rein und wissen nichts über Unterstützungsmöglichkeiten“, sagt Zegelin. Die Dunkelziffer bei den pflegenden Angehörigen sei extrem hoch, so die Professorin: „Viele sind überfordert und selbst krank. Zudem gibt es meist keine passgenauen Hilfsangebote. Die Leute sind überall nur Bittsteller und erfahren oft Ablehnung statt Anerkennung für ihre Tätigkeit.“

Neben dem Ausbau der Informationsmöglichkeiten war es also zunächst Zielsetzung der Arbeitsgruppe, bei sämtlichen Anbietern, die mit pflegenden Angehörigen in Kontakt kommen können, mehr Sensibilität für die Problemlage zu schaffen. So wurden verschiedene Anbieter von Hilfsleistungen darin geschult, den Suchenden neben den benötigten Angeboten und Informationen auch Wertschätzung entgegenzubringen.

Zudem werden in den beteiligten Städten mittlerweile Gesprächskreise angeboten, bei denen gleichzeitig für eine Betreuung der zu pflegenden Angehörigen gesorgt ist. „Das Problem ist ja häufig, dass die Pflegenden nicht in der Lage sind, Auszeiten zu nehmen und an sich selbst zu denken. Sie geben ihre Hobbys und oft ihr eigenes Leben auf, um einen Angehörigen zu pflegen“, erzählt die Professorin. Das Angebot eines Gesprächskreises – und auch alle anderen Angebote – müssten das berücksichtigen und für eine angemessene Versorgung der Angehörigen in der Zeit sorgen, unterstreicht die Pflegewissenschaftlerin.

Inzwischen ist ein engmaschiges Netz aus verschiedenen Hilfs- und Informationsmöglichkeiten entstanden. Zum Beispiel die Organisation von Fahrdiensten oder Gottesdiensten, die sich speziell an pflegende Angehörige richten. Zudem gibt es Infoveranstaltungen zur Pflegeversicherung oder Kurse zum Pflegen lernen.

„Außerdem haben wir dafür gesorgt, dass die notwendigen Informationen da ankommen, wo oft der erste Kontakt zu den pflegenden Angehörigen stattfindet, nämlich in den Arztpraxen und Apotheken“, erzählt Zegelin.

Eine weitere Errungenschaft ist die Entwicklung einer so genannten „Notfallkarte“, die dafür sorgt, dass Pflegende beispielsweise beim Arzt schneller behandelt werden, und durch die im Fall eines Unfalls sicher gestellt ist, dass der Angehörige zu Hause nicht vergessen wird.

„Bundesweit einmalig ist unser Konzept, Pflegende zu ‚Familienmoderatoren’ für ein Konfliktmanagement auszubilden“, sagt die Professorin. Dabei gehe es nicht um einen psychologischen Ansatz, sondern um die Schulung in systemischen Beratungsgesprächen, die eine möglichst sachliche Klärung von Familienangelegenheiten ermöglichen.

Entwickelt wurde auch ein Konzept für Kuren bzw. Reha-Maßnahmen für die Gesunderhaltung pflegender Angehöriger. Es konnte aber bisher nicht umgesetzt werden, weil die Finanzierung noch nicht geklärt ist.