Witten. .

Die Tafelmusik auf der Ruhrstraße war ein voller Erfolg. Bis spät in den Samstagabend hinein aßen, tranken und tanzten die Wittener auf der Ruhrstraße.

Hermann Kunz (58) hat den Pavillon umsonst mitgenommen. Das macht ihm nichts aus, im Gegenteil. Denn zum Glück hat sich das Tischmotto der Nachbarn aus der Pleugerstraße bei der sechsten Wittener Tafelmusik am Samstag auf der Ruhrstraße nicht bewahrheitet: „Unser Motto lautet dieses Jahr. Auch bei miesem Wetter sind wir da.“

Nein, Petrus hat die Wittener nicht im Stich gelassen. Es sah den ganzen Tag so aus, als würde es jeden Moment anfangen zu regnen. Doch kein Tropfen viel vom grauen Himmel und zu kalt war es auch nicht.

Es ist noch keine 18 Uhr, da ist die Meile zwischen Bahnhofstraße und Finanzamt schon gut bevölkert. Die langen Holztischen, von denen allein das Stadtmarketing 80 aufgebaut hat, biegen sich unter den mitgebrachten Speisen der Besucher. Tolle Rohkostteller mit Möhren und Tomaten und Radieschen, Platten voller kleiner Frikadellen, Schüsseln mit Kartoffelsalat, gebratene Hähnchenschenkel, mit Käse gefüllte Blätterteigtaschen... „Boah, sieht das alles lecker aus!“ entfährt es einem Gast spontan.

Man muss aber aufpassen, was einem angeboten wird. Gerd Zenerino (70) verteilt gerade Oliven. Achtung, superscharf! „Ich wollte das Glas nicht mehr nach Hause schleppen“, erklärt der 70-Jährige lachend seine Großzügigkeit. Die Stimmung am Tisch der „Müden Füße“ ist prächtig. Es dauert nicht lange, bis die Wanderfreunde aus voller Kehle singen: „Ein Prosit, ein Prosit.“ Das erste Fünf-Liter-Fässchen ist schon leer.

Einen Tisch weiter strahlt die Belegschaft von „Maxim“-Schuhen in orangefarbenen Einheits-Shirts. Die Mitarbeiterinnen haben Tomaten mit Mozarella, Thunfisch- und Kartoffelsalat zubereitet. Freiwillig, in ihrer Freizeit, sind sie heute ihr. Chef Philip Teller (44) ist von der Veranstaltung ganz angetan: „Alles sehr gut organisiert“, lobt er das Stadtmarketing, dass die Tische samt Namenskärtchen diesmal gleich aufgestellt hat und nicht erst von den Besuchern wie in früheren Zeiten schon mal abholen ließ. „Dieser Tisch ist für Tangotänzer reserviert“, heißt es in Höhe der „Burg“. Tatsächlich drehen sich hier Kursteilnehmer aus der Werkstadt auf dem Asphalt. Ihr Tisch ist allerdings wie leer gefegt. Leben sie nur von Luft und Liebe?

Im Zelt auf der anderen Seite lassen es sich junge Leute, die gerne Mittelalter spielen, bei einem Rittermahl schmecken. Fleischpastete mit Rosinen, „krumme Krapfen“ aus Mehl, Ei und Käse, dazu ein kräftiger Schluck Met und Dirk (42) zupft auf der Laute alte Minnelieder - „jeder nach seinem Geschmack“ könnte das Motto des Tages lauten.

Manche Tische sind festlich gedeckt, mit weißer Decke und Kerzenleuchtern. Auch der Frauenstammtisch „Die Wildgänse“ mag’s vornehm. Im großen Sektkühler klirrt das Eis, alt gediente Schausteller wie Hilde Teichgräber (84) - ganz schick in Violett - prosten sich zu. Jeder kennt hier jeden.

Mit Einbruch der Dunkelheit steigt die Stimmung. Straßenmusiker wie die „Walking Hats“ singen „Ob-La-Di, Ob-La-Da“ und hundertfach schallt es zurück. Die Wittener wissen, wie man feiert. Bis spät in den Abend hinein tanzt und swingt die Ruhrstraße. Vor Café Möpschen spielt „Indigo“ gediegenen Jazz. „Eine wunderbare Veranstaltung“, sagt Besitzerin Heike Köhler.

Die Tischmeile reicht nicht ganz bis zum Finanzamt. Dort bilden mehrere junge Familien das Schlusslicht. Ralf (37) pafft eine dicke Zigarre: „Eine tolle Idee, mit Freunden unter freiem Himmel zu essen.“ Andreas (36) schwärmt von dieser besonderen Form der Straßenbesetzung. „Wie im Kulturhauptstadtjahr auf der A 40.“