Witten. .

Gespenstische Geräusche aus Boxen säumen den Weg zur Ruine Hardenstein, auf der anderen Ruhrseite erzeugen tropfende Spüllappen auf Glasröhren Tonreihen.

Nichts klingt konventionell, denn schließlich sind wir bei den Wittener Tagen für neue Kammermusik.

Die eröffneten am Freitagabend nicht nur mit Konzerten im Saalbau und in der Johanniskirche, sondern auch mit Darbietungen am Ruhrufer in der Nähe des Schleusenwärterhäuschens. Und die friedvolle Stimmung, gepaart mit ungewöhnlichen Klangerlebnissen, lockte viele Zuhörer von nah und fern zur Reihe „Ruhr-Musik“.

Ob in englisch, französisch oder spanisch - es wurde in vielen Sprachen über das Gehörte diskutiert. Auch einige asiatische Besucher ließen sich mit der Fähre zu den Spielorten dies- und jenseits der Ruhr schippern. Die bis Sonntag laufenden Wittener Kammermusiktage sind eben ein international anerkanntes Festival.

Und natürlich hielten zahlreiche Pedalfreunde auf dem Ruhrtalradweg an, um erstaunt, aber durchaus interessiert zu erkunden, was da wohl Seltsames geboten würde. Ein Labyrinth aus aufgehängter weißer Wäsche galt es etwa, in der Installation „Weiss/Weisslich“ zu durchqueren. Aber wer erzeugt die Töne, die da aus acht Boxen, unweit entfernt am Weg stehen? Es ist Adam Weisman, der hier eine Komposition von Peter Ablinger „spielt“.

In einer genau vorgegebenen Reihenfolge hängt der aus Atlanta stammende Weisman in Wasser getauchte Spüllappen auf. Die tropfen auf unterschiedlich lange Glasröhren, deren Ton über die Boxen in die Natur übertragen wird. Wenn man so will, ist das Ganze ein „natürliches Xylophon“.

Eher unheimlich ging es bei Kirsten Reeses „Vexierklang Hardenstein“ zu. „Ich wollte die Goldemar-Sage nicht eins zu eins umsetzen, sondern es geht mir hier um Stimmungen“, erklärt die Berliner Komponistin. So hat sie zum Beispiel Stimmen verfremdet, die die Goldemar-Sage vorlesen.

Sie klingen aus kleinen Boxen, die in den Bäumen auf dem Weg zur Ruine Hardenstein aufgehängt sind. Auch Wassergeräusche lassen sich bei diesen Tonfolgen erahnen. Und in der Ruine selbst sorgen Helferinnen, die mit Boxen umherwandern dafür, dass sich ein eigenwilliger Klangteppich im Innenhof des Gemäuers ergibt. „Irgendwie abgefahren“ findet Feuerwehrsprecher Ulrich Gehrke das Ergebnis, gerade auch in der Mischung von experimenteller Musik und Naturerlebnis. Gehrke, der selbst ein passionierter und aktiver Rockmusiker ist, kommt mit seiner Familie regelmäßig zu den Kammermusiktagen. Der dreijährige Sohn Jan ist stets dabei. „Es ist wichtig, dass man lernt, sich zu öffnen. Denn die Welt ist bunt“, meint Gehrke.

Es müsse einem ja nicht zwangsläufig alles gefallen, „aber man sollte sich zumindest darauf einlassen“, findet auch Festivalbesucher Gerard Lefebre. Der Franzose reist zu Musikfestivals weltweit, das Wittener Ruhrtal findet er „ganz bezaubernd und eine wundervolle Kulisse für alle diese ungewöhnlichen Töne.“

Auch der aus der Schweiz stammende, inzwischen in Berlin lebende Komponist Daniel Ott empfindet das Ruhrtal als perfekte Kulisse für seine Aufführung „Querströmung“. Von der Insel des Lohmann-Firmengeländes aus vereinen sich dabei Gitarren- und Schlagzeugsound mit Arbeitsgeräuschen und dem rauschenden Wasser der Schleuse.

In den späten 80er-Jahren hat Ott an der Essener Folkwang-Hochschule studiert: „Wenn ich mich entspannen wollte, bin ich schon damals ins Wittener Ruhrtal gefahren“, erinnert sich der jetzt 50-Jährige. Alte Liebe rostet eben nicht.