Witten .
Was Andreas täglich über seine kleinen Musikstöpsel in die Ohren lässt, das grenzt an Körperverletzung. Wenn der Realschüler den Sound aufdreht, zeigt das Schallpegelmessgerät 92,3 Dezibel. Bauarbeiter tragen bei diesen Werten längst Ohrenschutz.
Andreas (14), der gerade mit seiner 8. Klasse an Biologie-Projekttagen zum Thema Lärm teilnimmt, zuckt mit den Schultern. „Dass ich früh taub sein werde “, sagt der Schüler, „ist mir eigentlich egal.“ Vielleicht mag es zu viel verlangt sein, dass Jugendliche so früh daran denken, was später mit ihren Ohren sein wird - aber es geht hier nicht um die entfernte Zukunft.
„Etwa ein Viertel der heutigen Jugendlichen laufen bereits mit einem Hörschaden durch die Gegend“, sagt Umweltpädagogin Regina von Oldenburg. Die Expertin ist zu den Projekttagen an der Otto-Schott-Realschule mit dem Umweltbus „Lumbricus“ vorbeigefahren. Die Busmannschaft informiert landesweit Schulklassen über Themen aus Natur und Umwelt. Pädagogen machen auf diese Weise Biologie erfahrbar, Kinder erleben Unterricht am Straßenrand.
Das Thema Lärm ist facettenreich. Was ist Schall? Wie laut zwitschert ein Vogel? Wie viel Lautstärke geht von der Hauptstraße aus? Lärm wird regelmäßig unterschätzt, sagen viele Experten. Deshalb hat Biologielehrerin Annemarie Weitkampf die Dezibel zum Projekt gemacht. „Ich möchte die Jugendlichen sensibilisieren.“ Gerade den jungen Menschen fehle häufig ein Gefühl dafür, was sie sich mit den Schallwellen selbst antun. Konzerte, laute Handy-Musik über Ohrstöpsel oder Diskobesuche - das alles sind Angriffe auf das Hörvermögen. „Morgen gehen wir zu einem Hörgeräte-Hersteller“, sagt die Biologielehrerin. Dort gibt es weiteres Anschauungsmaterial: Etwa ein Drittel der heute 15-Jährigen wird im Alter von 50 ein Hörgerät brauchen - das schätzt die Bundesärztekammer.
Mithilfe des Umweltbusses hat die Projektklasse vor allem ihr Schulumfeld mit einem Schallmesser untersucht. Auf einer Landkarte markieren die Schüler nun, was sie über die angrenzenden Straßen herausgefunden haben. Rund um die Schule scheint alles im grünen Bereich. Weniger als 60 Dezibel, „das ist gut“, referiert ein Schüler. Andere haben in der Stadt Messungen gemacht und festgestellt: Auch einzelne Personen können gesundheitsgefährdende Ausmaße annehmen. „Am lautesten war der Marktschreier“, sagt ein Schüler. Der lag bei 95 Dezibel.
Als Folge von ständigem Lärm können nicht nur Hörschäden, sondern Schlafstörungen und Herz-Kreislauferkrankungen auftreten.
Die Umweltpädagogin Regina von Oldenburg hat schon viele Schulen besucht. In einer Nachbarstadt sei bei der Messung herausgekommen, dass der Schulgong zu laut ist.