Witten. .

„Französische Geschichte in Witten ist mein Spezialgebiet“, sagt Dieter Schidt. Am Wochenende lud der aktive Pensionär mit dem Stadtmarketing zur Begehung einiger markanter Plätze, um die vielfältigen Verbindungen unserer Stadt zu Frankreich vorzustellen.

So wurde zum Beispiel das Denkmal am Karl-Marx-Platz besucht. „Wissen Sie, für was es steht?“ fragt Schidt. Die Gruppe Interessierter verneint und Schidt schildert die Hintergründe, die manchen überraschen. Denn einst war der Wittener Hauptbahnhof hier geplant.

Als Eingang in die Stadt sollte das Denkmal, auf dem Viktoria, die Siegesgöttin steht, die Besucher Wittens begrüßen. „Den gefallenen Helden der Stadt Witten“ steht darauf geschrieben. Darüber sind Städtenamen wie Metz, Paris, Koeniggrätz oder Sedan angeführt. Schidt erläutert, dass mit den Einigungskriegen, die Deutschland 1871 als „Deutsches Reich“ zusammenführten, ein großer Nationalstolz Einzug hielt. So auch in Witten, denn von hier waren ebenfalls Soldaten ins Feld gezogen.

Mit viel Schwung und großen Gesten ordnet Schidt die Geschichtsdaten. Zwischen 1806 und 1813 wurde das Ruhrgebiet von den Truppen Napoleons besetzt. Dies brachte auf der positiven Seite die Abschaffung der Leibeigenschaft und die Bauernbefreiung mit sich. Doch mussten die Bürger - und das ist die Schattenseite - Soldaten und Gelder für das französische Heer abtreten.

Diese lange zurückliegenden Ereignisse werden dann spannend, wenn sie einen konkreten Bezug bekommen. So spazierte die Stadterkundungsgruppe zum Carl-von-Ossietzky-Platz, dort steht eine alte Eiche. Was dem Laien verborgen bleibt, deckte Dieter Schidt auf: Als Napoleon 1813 in der Leipziger Völkerschlacht geschlagen wurde, befreite dies das Ruhrgebiet. Zum 50. Jahrestag des Ereignisses wurde in Witten eine Eiche gepflanzt. Und just diese Eiche steht heute auf dem Ossietzky-Platz. So wird Geschichte greifbar.

„Über Essen marschierten sie ein, kamen den Hevener Berg herab“, schildert Schidt anschaulich den Einmarsch französischer Truppen 1923. Da Deutschland mit Reparationszahlungen für den verlorenen Ersten Weltkrieg säumig blieb, wollten sich die Franzosen die Erträge selber aus dem prosperierenden Ruhrgebiet holen.

„Schangels und Boches“ nannte Dieter Schidt seine Stadttour. Dabei steht Schangels für das falsch ausgesprochene „Jean“, was einen Franzosen bezeichnete. Und Boches ist französisch für Holzköpfe – so bezeichneten die Franzosen damals die Deutschen, wenn sie diese abwerten wollten.

Die Soldaten des Nachbarlandes wohnten in den 1920er Jahren im Ruhr-Gymnasium. Höhere Offiziere lebten in beschlagnahmten Villen nahe der Ruhr. Dadurch wehte wieder für zwei Jahre französische Luft in Witten.

„Die Verbindungen zu Frankreich sind nicht auf den ersten Blick erkennbar“, sagt Dieter Schidt, „doch überall“. Als ehemaliger Französischlehrer haben sie ihn immer interessiert. Schön, wie er sein profundes Wissen weitergibt.